Forderungen nach langfristiger Erhöhung des EU-Haushalts werden lauter

Da die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine den Rahmen des aktuellen MFR sprengen, hat die Europäische Kommission kürzlich eine Haushaltsüberprüfung vorgeschlagen, um die Schwachstellen zu beseitigen und sicherzustellen, dass alle EU-Politikbereiche bis 2027 abgedeckt sind. [Alexis Haulot (European Parliament)]

Die EU-Institutionen bereiten sich derzeit auf die Verhandlungen zur Überarbeitung des mehrjährigen EU-Haushalts vor. Experten und Europaabgeordnete fordern derweil, den gesamten Haushaltsrahmen zu reformieren und zu erhöhen.

Da die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine den Rahmen des aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) sprengen, hat die Europäische Kommission kürzlich eine Haushaltsüberprüfung vorgeschlagen, um die Schwachstellen zu beseitigen und sicherzustellen, dass alle EU-Politikbereiche bis 2027 abgedeckt sind.

Die vorgeschlagene Überarbeitung sieht mehr Beitragszahlungen seitens der Mitgliedstaaten und ein Flexibilitätsinstrument vor, um die steigenden Schulden zur Finanzierung des Konjunkturprogramms zurückzahlen zu können.

Doch während sich die Institutionen auf die Verhandlungen über die Überarbeitung vorbereiten, werden vielerorts Rufe lauter, dass der Haushalt längerfristig aufgestockt werden müsse – gerade auch was die Zeit nach 2027 betrifft.

Ein umfangreicherer MFR?

Viele Experten und Parlamentarier fordern, dass der Haushalt deutlich aufgestockt werden müsse, um die neuen EU-Prioritäten anzugehen und die für das Konjunkturprogramm aufgenommenen Schulden zurückzuzahlen. Diese müssen laut Vereinbarung ab 2027 abgebaut werden.

Laut den Autoren eines deutsch-französischen Berichts über die EU-Reform erfordern der EU-Beitritt der Kandidatenländer, der Wiederaufbau der Ukraine und die Emissionsminderungsziele der EU eine deutliche Aufstockung des MFR.

Um den Haushalt der EU zu stärken, weisen die Autoren auf die Notwendigkeit einer „Ausgabenüberprüfung“ hin, um die Ausgaben zu optimieren und neue Einnahmequellen für den Haushalt zu generieren. Diese werden jedoch von mehreren Mitgliedstaaten kritisiert, die die Verabschiedung der von der Kommission bereits vorgeschlagenen neuen Einnahmequellen verlangsamen.

„Bleiben solche Änderungen aus, wird die EU mit einer ‚fiskalischen Krise‘ konfrontiert, die entweder zusätzliche Beiträge aus den Staatskassen der Mitgliedstaaten oder eine drastische Kürzung der EU-Ausgaben erzwingen wird“, warnen die Autoren.

Gleichzeitig wird der EU-Haushalt, selbst wenn er aufgestockt wird, ein „sehr kleiner Teil“ der Staatsausgaben bleiben, so der Wirtschaftswissenschaftler Zsolt Darvas.

„Der Großteil der Ausgaben in der EU wird von den Mitgliedsstaaten selbst getätigt“, sagte er Euractiv. Er fügte hinzu, dass „der EU-Haushalt am besten für EU-weite Investitionen in öffentliche Güter verwendet wird. Es ist effizienter, diese Investitionen gemeinsam zu tätigen als einzeln.“

Flexibilität hat Priorität

Das Europäische Parlament möchte auch sicherstellen, dass der MFR mehr Flexibilität bietet, um unvorhergesehene Krisen zu finanzieren. In ihrer Stellungnahme, die am 20. September im Haushaltsausschuss angenommen wurde, forderten die Parlamentarier ein dauerhaftes Flexibilitätsinstrument im Rahmen des MFR, um dringenden Ausgaben zu begegnen.

Für Margarida Marques (S&D), eine der zuständigen Abgeordneten im EU-Parlament für die MFR-Überprüfung, sollte die EU auf dem „Erfolg“ des Pandemieplans aufbauen. „Ein Instrument wie dieses kann in Zukunft dauerhaft in öffentliche Güter der EU und in europäische Prioritäten investieren“, sagte sie.

Darvas bezweifelte jedoch, dass die EU durch mehr Flexibilität besser mit unvorhergesehenen Krisen umgehen könne.

„Im Falle einer großen Krise, die viel Geld erfordert, ist es unrealistisch, dass die EU genügend Ressourcen hat, um auf einen großen Schock zu reagieren. Es ist einfach zu viel Geld“, sagte er und verwies auf das Corona-Konjunkturpaket, das eher eine mittel- als eine kurzfristige Lösung für die Krise darstelle.

„Ein flexiblerer EU-Haushalt kann keinen großen Unterschied machen“, sagte er und fügte hinzu, dass ein kleinerer MFR, der an die Legislaturperiode angepasst ist, sinnvoller wäre.

Der Bericht über die EU-Reformen fordert die EU außerdem auf, einen fünfjährigen anstatt des derzeitigen siebenjährigen MFR einzuführen. Auf diese Weise könnte der Haushalt flexibler gestaltet werden, falls sich die Ausgabenprioritäten ändern.

Auf dem Weg zu einer qualifizierten Mehrheit?

Nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Rasmus Andresen, Schattenberichterstatter für den MFR, ist die Anpassung der Laufzeit des langfristigen Haushaltsplans nur ein kleiner Teil der Lösung. Das Hauptproblem ist vielmehr seine Struktur.

„Was zählt, ist nicht die Laufzeit, sondern die Struktur und Flexibilität“, sagte er Euractiv.

Seiner Meinung nach ist die größte Einschränkung in Bezug auf die EU-Ausgaben, die erforderliche Einstimmigkeit des Rats.

„Das Einstimmigkeitsprinzip lähmt die EU in vielen Bereichen. Deshalb sind wir für seine Abschaffung“, sagte er.

Der Bericht weist auch auf die notwendige Umstellung auf qualifizierte Mehrheitsentscheidungen über den EU-Haushalt oder auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen kleineren Gruppen von Mitgliedstaaten hin, die sich auf eine gemeinsame Finanzpolitik einigen.

„Dies würde die Haushaltsverhandlungen vereinfachen, aber auch für die nötige Flexibilität sorgen, die die EU braucht, um ‚Koalitionen der Willigen‘ weiter einzubinden“, heißt es in dem Bericht.

Darvas stimmte auch zu, dass das Einstimmigkeitsprinzip abgeschafft werden müsse.

„Einstimmige Beschlüsse machen im Grunde jede Veränderung extrem schwierig“, sagte Darvas. Er fügte jedoch hinzu, dass die Idee, dass kleinere Gruppen von Staaten über einen separaten Haushalt entscheiden, zwar prinzipiell gut sei, es aber nicht klar sei, wie dies in der Praxis funktionieren könne.

„Die große Frage ist, was man gemeinsam tun will“, sagte er und verwies auf das Beispiel der Umverteilung von Ressourcen.

„Ich kann nicht erkennen, dass Deutschland mehr Ressourcen an Italien verteilt“, sagte er.

[Bearbeitet von János Allenbach-Ammann/Alice Taylor]

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