„Keinen öffentlichen Streit führen“ ist ein Kennzeichen der österreichischen Koalitionsregierung. Für die Zeit des EU-Wahlkampes will man eine Ausnahme machen.
Mit der Rede von Bundeskanzler Sebastian Kurz am Dienstag vor dem EU-Parlament in Straßburg endet offiziell die österreichische EU-Ratspräsidentschaft. In seinem Bericht geht es unter anderem um die 41 Verhandlungsergebnisse im Abstimmung mit dem Parlament. Dazu zählen unter anderem das Budget 2019, die neue Bankenregelung und die Senkung der Roaminggebühren. Nach der Straßburger Rede beginnt dann allerdings die heiße Phase der Vorbereitungen für den EU Wahlkampf. Bei SPÖ, FPÖ, NEOS und den Grünen stehen zumindest die Spitzenkandidaten fest. Bei der ÖVP will man, so Bundeskanzler Sebastian Kurz, erst Ende Januar, Anfang Februar die Karten auf den Tisch legen. Als Begründung wurde bereits im Herbst des Vorjahres angeführt, dass man sich zunächst auf die Führung der Ratspräsidentschaft konzentrieren wolle.
Parteiintern haben allerdings bereits die Vorbereitungen für die Planung und Organisation des Wahlkampfes begonnen. Um die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen (zuletzt 2014 betrug diese 45,4 Prozent im Gegensatz zu 80 Prozent bei der Nationalratswahl 2017) zu erhöhen, will man die Wähler mehr mitbestimmen lassen. Daher will die ÖVP die Entsendung ihrer Europaparlamentarier an das Ergebnis der Vorzugsstimmen binden. Das heißt, wer auf sich die größte Anzahl von persönlichen Stimmabgaben vereinen kann, erhält ein Mandat. Was aber nichts daran ändern wird, dass die Partei eine „gemeinsame Liste mit einem Spitzenkandidaten“, so Kurz, aufstellen wird. Zudem will man dem föderalen Charakter Rechnung tragen, soll heißen, dass es neben dem bundesweiten Listenführer auch Landesspitzenkandidaten geben wird. Bezüglich der Namen hält man sich noch bedeckt.
EU-Wahl sieht ÖVP knapp vor SPÖ und FPÖ
Geht es nach den bisher vorliegenden Umfragen, so liegen die drei Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ ziemlich knapp nebeneinander, wobei die Volkspartei die Nase vorne hat. Mit Blick auf den Vorzugsstimmenwahlkampf kommt dem derzeitigen Fraktionsführer der ÖVP im Europäischen Parlament, Othmar Karas, ein gewisser Startvorteil zugute. Er gilt als ein kämpferischer Pro-Europäer, der sich auch nicht scheut, die eigene Partei zu rügen, wenn diese vom stringenten EU-Kurs abweicht. Mit dem Effekt, dass er in der ÖVP nicht nur Parteifreunde hat. Sein Atout ist aber eine beträchtliche Anhängerschar, die ihn als überzeugten Europapolitiker schätzt. Davon profitierte er bei den Europawahlen 2009 und 2014. Mit 112.954 Vorzugsstimmen im Jahre 2009 und 82.514 im Jahre 2014 ließ er seine Mitbewerber nicht nur weit hinter sich sondern sicherte auch der ÖVP den ersten Platz.
Wenn Karas wieder antritt, auf diese Entscheidung wartet die Parteiführung, dann ist mit einem kantigen Wahlkampf auch innerhalb des Lagers der beiden Regierungsparteien zu rechnen. Diesbezüglich hat es bereits in den letzten Monaten – ganz anders als auf der innenpolitischen Bühne, wo weitgehend „Message Controlling“ praktiziert wird – entsprechende Vorgeplänkel gegeben. So als der FPÖ-EU-Spitzenrepräsentant Harald Vilimsky unter anderem EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker mehrmals unter der Gürtellinie attackierte oder vom EU-Mainstream abweichende Positionen vertrat. Der ÖVP-Kanzler und der FPÖ-Vizekanzler Heinz Christian Strache sollen sich bereits darauf geeinigt haben, während des EU-Wahlkampfes in der Europapolitik die Manege für offene verbale Auseinandersetzungen freizugeben. Allerdings, so Kurz, gelte es dabei für die Freiheitlichen sich an eine klare Vorgabe zu halten: „Die rote Linie ist das Regierungsprogramm, das eine proeuropäische Ausrichtung der Koalition vorsieht“.