Die politische Strategie von Jean-Luc Mélenchon birgt die Gefahr eines EU-Austritts Frankreichs, warnt der französische Politiker Benoît Hamon im Gespräch mit EURACTIV.com. Gleichzeitig geißelt er Emmanuel Macrons neoliberalen „Dogmatismus“.
Hamon sprach am Rande des „Europäischen Forums der progressiven, ökologischen und linken politischen Kräfte“ in Bilbao am 11. November mit EURACTIV und richtete sich im Vorfeld der EU-Wahlen im Mai 2019 sowohl gegen Jean-Luc Mélenchon als auch gegen Präsident Emmanuel Macron.
Laut aktuellen Umfragen könnte die radikale Linkspartei La France Insoumise von Mélenchon auf 11 bis 14 Prozent der Stimmen bei den EU-Wahlen im kommenden Jahr kommen. Damit läge sie klar vor der ehemals großen sozialistischen Partei, die inzwischen bei 6 bis 7,5 Prozent liegt.
Mélenchon selbst war beim Forum in Bilbao nicht anwesend. Er hatte nach Angaben der Organisatoren nicht einmal auf die Einladung reagiert.
Diverse Teilnehmer des Forums nannten Mélenchons Haltung „problematisch“: Er sei nicht bereit, Kompromisse mit seinen linken EU-Partnern einzugehen.
Hamon, ein ehemaliger französischer Parteifunktionär der Sozialisten und aktuell Vorsitzender der Bewegung Génération.s, kommentierte: „Jean-Luc ist Jean-Luc. Er mag die Linke, wenn die Linke sich um ihn herum sammelt. Aber das ist die französische Tradition einer Messias-ähnlichen Figur. Es ist nicht die Tradition und die politische Kultur vieler anderer europäischer Länder.“
Er warnte auch: „Die Strategie von Mélenchon birgt das Risiko eines französischen Ausstiegs aus der EU.“ Damit würde „eine Grundidee der Linken aufgegeben; die des Internationalismus.“
Hamon fügte im Gespräch hinzu: „Ein solcher Ansatz würde bedeuten, dass sich die Linke nun ebenfalls der Idee eines Wettbewerbs zwischen den Nationen anschließt. Denn wenn wir Europa verlassen, werden wir schlussendlich zu einer Form des Wettbewerbs und zu einem möglichen Konflikt mit unseren Nachbarn zurückkehren. Ich finde diese Vorstellung absolut furchtbar.“
Es könne nur eine europäische Antwort auf die Krise Euroaps geben, so Hamon weiter. „Es gibt keine nationale Lösung für eine europäische Krise“, betonte er. Alle Linken, die glauben, dass es eine nationale Lösung geben könne, würden bald erkennen müssen, dass ihre Haltung „nicht die Linke an die Macht bringen wird, sondern die extreme Rechte“, warnte er.
Mit Mélenchon habe er in dieser Frage somit „eine tiefgehende strategische Meinungsverschiedenheit“.
Den Worten Taten folgen lassen
Hamon forderte, für die linken Kräfte Europas müsse es nun endlich an der Zeit sein, den Worten auch Taten folgen zu lassen: „Die anderen – die auf der rechten Seite und die Liberalen – die handeln tatsächlich.“
Die europäische Linke müsse aus ihrer „Komfortzone“ heraustreten und auf bereits bestehende Ansätze für den ökologischen Wandel, bei Beschäftigungsfragen, für die Finanzierung der Sozialsysteme und vor allem bei Fragen nach mehr Demokratie aufbauen.
Eine gemeinsame Strategie sei erforderlich, um die aktuell gespaltenen progressiven Kräfte zu einen: „Im Grunde genommen geht es darum, eine gemeinsame Strategie zu finden. Und meiner Meinung nach muss sich diese Strategie auf die Ökologie als Mittel zur Wiederbelebung der Linken stützen.“
Hamon erinnerte daran, dass starkes Wirtschaftswachstum nicht mehr als einzige Kennziffer für Wohlstand angesehen werden dürfe. „Wir haben teils hohe Wachstumsraten gepaart mit einer hohen Armutsrate – zum Beispiel in Deutschland,“ erklärte er.
Die Linke als „Bollwerk gegen den Faschismus“ – und Macron als dessen Wegbereiter
Auf die Frage nach der möglichen Rolle des französischen Präsidenten bei den EU-Wahlen im kommenden Jahr antwortete Hamon, Macron wirke als zusätzlicher Antrieb, Wegbereiter und als „Brandbeschleuniger für die Rechtsextremen“.
Macrons „Dogmatismus“ angesichts des Niedergangs der öffentlichen Versorgungsleistungen, seine Unterstützung für die Reichen und die „Opferung der Armen“ machten ihn letztendlich zum „Komplizen Salvinis„, so Hamon.
„Es ist ein Macron, der einen Salvini hervorbringt. Es ist Macron, der einen Orbán hervorbringt. Das wahre Bollwerk gegen den Faschismus ist und bleibt die Linke. Aber die Linke muss auch intellektuell und kulturell unterstreichen, dass sie das Bollwerk gegen den Faschismus ist. Macron ist dies nicht. Macron ist der Brandbeschleuniger bei der Machtergreifung der Faschisten,“ betonte Hamon.