Die Grünen sind die klaren Gewinner der Europawahl in Deutschland. Die Partei konnte ihr Wahlergebnis im Vergleich zu 2014 praktisch verdoppeln und liegt mit rund 21 Prozent der Stimmen landesweit an zweiter Stelle. Die Unionsparteien büßten Stimmanteile ein, konnten sich aber als stärkste politische Kraft behaupten.
Für die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley endete die Europawahl mit einem Fiasko und noch schlimmer als erwartet: Die Partei erreichte gut 15 Prozent, verglichen mit 27,3 Prozent vor fünf Jahren.
Damit ist die SPD inzwischen nur noch die drittstärkste Partei Deutschlands, weit abgeschlagen hinter den Konservativen und den Grünen.
Letztere konnten ihr Ergebnis verdoppeln: Von 10,7 Prozent im Jahr 2014 auf nun 21 Prozent. Spitzenkandidatin Ska Keller sprach gegenüber der ARD von einem „sensationellen Ergebnis“ und einer „grandiosen Teamleistung“. Keller weiter: „Für uns ist es ein Auftrag und eine Verantwortung die Dinge umzusetzen, vor allem im Klimaschutz.“
Die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel und die bayerische Schwesterpartei CSU verloren gemeinsam gegenüber den letzten Wahlen rund sieben Prozentpunkte und erreichen deutschlandweit 28 Prozent, während die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) um knapp vier Prozentpunkte auf elf Prozent zulegte.
Statistiken von ARD und ZDF zeigen, dass die CDU/CSU rund viermal so viele Wählerinnen und Wähler an die Grünen verloren hat als an die AfD. Insgesamt stieg die Wahlbeteiligung deutlich auf 59 Prozent (48 Prozent vor fünf Jahren).
Ein deutlicher Grünen-Trend
Für die deutschen Grünen zeigen die Ergebnisse vom Sonntag die Fortsetzung eines positiven Trends, der sich bereits vor sechs Monaten herausgebildet hat: Im September vergangenen Jahres erreichten sie in Bayern (17,5 Prozent) und Hessen (19,8 Prozent) ein unerwartetes Allzeithoch.
In Deutschland stellt sich nun die Frage: Sind die Grünen die neue „Volkspartei“ (ein Begriff, den sie selbst ablehnen)?
Jedenfalls verstehen die Grünen sich als eine Partei, die in der Lage ist, Bündnisse mit diversen anderen demokratischen politischen Kräften einzugehen – eine Strategie, die sie in Deutschland auf vielen lokalen und regionalen Ebenen erfolgreich verfolgt haben.
Die Partei erfreut sich darüber hinaus einer Rekordzahl neuer Mitglieder und hat inzwischen 80.000 registrierte Anhängerinnen und Anhänger. Damit liegen sie freilich nach wie vor weit hinter den rund 400.000 für SPD und CDU, aber die Grünen wachsen auch in Regionen, in denen sie es traditionell schwer haben, zum Beispiel in Ostdeutschland.
Besonders erfolgreich waren die Grünen bei einer Wählergruppe, die CDU/CSU und SPD verzweifelt – und erfolglos – zu erreichen versucht haben: die jungen Menschen. So haben bei den diesjährigen Europawahlen 34 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Stimme für die Grünen abgegeben. Bei den Erstwählern waren es sogar 36 Prozent – ein Ergebnis, von dem die beiden (ehemals) großen Parteien in Deutschland nur träumen können.
Das Ergebnis ist auch ein klares Zeichen dafür, dass Klima- und Umweltfragen auf der politischen Agenda Deutschlands einen besonders hohen Stellenwert einnehmen – und das zu einem Zeitpunkt, da Deutschland auf „bestem Wege“ ist, seine Treibhausgas-Reduktionsziele zu verfehlen.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic]