Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Pedro Sánchez hat gestern in Paris betont: „Wirtschaftswachstum ist keine Garantie für allgemeinen Wohlstand.“ Vielmehr brauche es ein weltweites Umdenken, um neuen und alten Herausforderungen zu begegnen. EURACTIVs Medienpartner EFE berichtet.
In seiner Rede anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) forderte Sánchez außerdem eine Stärkung des Multilateralismus. Dies sei die beste Möglichkeit, um eine gerechtere Politik für alle zu erreichen.
Die Welt brauche ein „Umdenken“ in Wirtschaftsfragen, um Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie, der durch sie ausgelösten Wirtschaftskrise und möglichen neuen Migrationsströmen zu begegnen, fügte er hinzu.
„Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment unserer Geschichte. Ein Moment, in dem die Idee, dass Wirtschaftswachstum automatisch alle Bereiche der Gesellschaft erreicht, endgültig widerlegt wurde,“ sagte Sánchez.
Er selbst steht der spanischen Koalitionsregierung aus seiner sozialdemokratischen PSOE und der linken Unidas Podemos vor.
In den Industrieländern sei die Mittelschicht in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geschrumpft, während sich die Arbeitsbedingungen für Arbeiterinnen und Arbeiter deutlich verschlechtert haben, sagte Sánchez weiter.
Hinzu komme nun erschwerend, dass gerade die Schwächsten, insbesondere Frauen, Kinder und Jugendliche – auch in Spanien – am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffen sind.
Krise als „Reformbeschleuniger“
Der einzige Ausweg aus der gegenwärtigen Doppelkrise [aus Gesundheits- und Wirtschaftskrise], sei seiner Ansicht nach „ein neues Modell, das Chancengleichheit, Geschlechtergleichheit, territorialen Zusammenhalt, technologische Innovation und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet“.
Die Krise müsse als ein potenzieller „Beschleuniger für Reformen auf nationaler und internationaler Ebene“ verstanden und genutzt werden. Diesbezüglich verwies er auch auf die Reaktion der EU: Der Konjunkturfonds Next Generation EU gehe in die richtige Richtung, um diese Ziele zu erreichen.
Die Welt und insbesondere die OECD-Mitgliedsstaaten bräuchten darüber hinaus aber eine „Verpflichtung, faire Spielregeln in einem multilateralen Rahmen zu erreichen,“ so Sánchez. Nur mit fairen Regeln könnten „die Herausforderungen des Klimawandels und der Armutsbekämpfung“ bewältigt werden.
Selbst wenn Spanien zu den ersten EU-Staaten gehören sollte, die im kommenden Jahr mit der Impfung gegen COVID-19 beginnen können, wird dies indes der spanischen Wirtschaft kaum helfen: Das BIP-Niveau von vor der Pandemie wird wohl frühestens im Jahr 2023 wieder erreicht, zeigt der jüngste OECD-Ausblick.
In einer Umfrage von Mitte November hatte mehr als die Hälfte der Befragten in Spanien angegeben, sie hätten seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr ihr Einkommen und/oder Teile ihrer Kaufkraft eingebüßt.
[Bearbeitet von Daniel Eck/Zoran Radosavljevic/Tim Steins]