This article is part of our special report Auf dem Weg zu 1,5 Grad?.
Am Montag wurde das zukünftige Gesetz zur Umsetzung von 40 Prozent der Vorschläge des Bürger-Klimakonvents den Parlamentsabgeordneten sowie Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt. Dabei ist insbesondere das Thema „Verkehr und Fortbewegung“ Quell diverser Debatten. EURACTIV Frankreich berichtet.
Nach neun Monaten Arbeit und 150 Vorschlägen ist ein Etappenziel erreicht: Das zukünftige Gesetz, das aus der Arbeit der sogenannten Bürgerversammlung für das Klima (Convention citoyenne pour le climat, CCC) hervorgehen soll, wurde am Montag den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Parlamentsabgeordneten zur Einsicht vorgelegt.
Es folgten ereignisreiche Sitzungen im Ministerium für den ökologischen Übergang. Seit mehreren Wochen herrscht Streit zwischen der Regierung und den Bürgern: So wird die Verwässerung einzelner Maßnahmen kritisiert; andere schlagen neue Gesetze mit ehrgeizigeren Klimazielen vor.
Die Regierung scheint die Probleme, die besonders viel Ärger verursachen, von Anfang an angehen zu wollen: Der erste Sitzungstag war direkt dem Thema „Fortbewegung“ gewidmet.
Das Thema Verkehr wurde in den Arbeitsdokumenten – die den CCC-Mitgliedern von der Regierung zugesandt und am Montag vom Magazin Reporterre veröffentlicht wurden – wie folgt abgehandelt: „Schon heute sind von den 42 Maßnahmen auf der Achse „Fortbewegung“ bereits 25, also fast zwei Drittel, umgesetzt. Darüber hinaus werden 15 Maßnahmen in den PJLCC [den Gesetzesentwurf auf Basis der Arbeit des CCC] aufgenommen, womit sich die Zahl der umgesetzten Maßnahmen auf 40 erhöht.“
Tatsächlich scheint sich die Regierung dem Thema Verkehr anzunehmen: Auf der offiziellen Website zu Fortschritten bezüglich der CCC-Vorschläge steht „Fortbewegung“ an erster Stelle, deutlich vor den Themenblöcken „Wohnen“ und „Ernährung“ – in denen bisher nur zwölf bzw. elf Vorschläge aufgegriffen wurden.
Verantwortlich für 30 Prozent der Emissionen
Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Frankreich seinen Verkehrssektor umgestalten: Im Jahr 2017 war er immer noch für 30 Prozent der französischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Damit ist er der größte emittierende Sektor in Frankreich, insbesondere getrieben vom Autoverkehr, der 16 Prozent aller nationalen Emissionen verursacht.
Um die Umweltverschmutzung zu verringern und den „grünen Übergang“ im Verkehrsbereich einzuleiten, wurden in den vergangenen Monaten im Rahmen des nationalen Konjunkturplans und auch des Haushaltsentwurfs für 2021 zahlreiche Maßnahmen beschlossen. Dazu gehören beispielsweise eine Erhöhung der Mittel für den Radverkehr; ein Bonus für die am wenigsten umweltschädlichen Fahrzeuge; eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Zugtickets; die Einrichtung eines umfangreichen Fonds zur Modernisierung der Bahn-Infrastruktur; und die Besteuerung von Treibstoff für den Freizeitflugverkehr.
Das könnte den Bürgerinnen und Bürgern gefallen – tut es allerdings nur eingeschränkt: Im Laufe der vergangenen Wochen und bei der Verabschiedung von Gesetzen, die aus den Vorschlägen der CCC hervorgingen, kritisierten sie vor allem eine „Verwässerung“ ihrer vorgeschlagenen Maßnahmen seitens der Regierung.
Die NGO Climate Action Network (CAN, bzw. RAC in Frankreich) veröffentlichte in der vergangenen Woche eine detaillierte Analyse dieser Verwässerungen.
Von den 51 Maßnahmen, die von der Regierung umgesetzt wurden, identifizierte die Umweltorganisation 28, die zwar verabschiedet wurden, aber „weit davon entfernt sind, den Forderungen der Bürgerinnen und Bürger zu entsprechen“. Von diesen 28 Maßnahmen betreffen 14 den Verkehrssektor.
Sowohl in der Luftfahrt, dem Schienenverkehr, bei Autos oder auch Fahrrädern: In praktisch allen Feldern seien neue Gesetze verabschiedet worden, die man jedoch in Bezug auf die CCC-Vorschläge als „verwässert“ ansehen müsse.
Insbesondere die Frage nach Sondersteuern („Malus“) für umweltschädliche Fahrzeuge irritiert die NGO. Die CCC-Mitglieder hatten vorgeschlagen, diesen Malus deutlich zu verschärfen und das Gewicht eines Autos als ein zu berücksichtigendes Kriterium einzuführen. Diese Idee wurde von der Regierung auch in ihrem Haushaltsentwurf aufgegriffen. Am 13. November stimmten die Abgeordneten der Nationalversammlung dann allerdings über einen Malus ab, der dreimal niedriger lag als im Vorschlag des CCC. Darüber hinaus wurde der „Gewichtsmalus“ um satte 400 kg erhöht, so dass er nur noch auf Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 1.800 kg angewendet werden dürfte.
Betroffen wären davon etwa drei Prozent aller Autos auf Frankreichs Straßen.
Nichts gelernt?
Dem Vorwurf, seine Verpflichtungen gegenüber dem CCC nicht eingehalten zu haben, widersprach Präsident Emmanuel Macron kürzlich in einem Interview mit Brut: „Dies sind 150 Bürgerinnen und Bürger; ich respektiere sie wie Parlamentsabgeordnete. Aber ich werde nicht sagen: Was diese 150 Bürgerinnen und Bürger aufgeschrieben haben, muss wie die Bibel oder der Koran behandelt werden.“
Auch mit Blick auf den anstehenden EU-Klimagipfel verteidigte der Präsident die Arbeit seiner Regierung: „Niemand“ habe so viel getan wie Frankreich, betonte er deutlich verärgert.
Im Rahmen des französischen Konjunkturplans wird der Verkehrssektor tatsächlich massiv unterstützt – mit 11,5 Milliarden Euro oder zehn Prozent aller Wiederaufbau-Mittel.
In ihrem Weltklima-Bericht nach Sektoren weist auch die NGO Climate Chance auf die Sektoren hin, in denen sich Frankreich besonders engagiert: Namentlich der Wasserstoffsektor, der mit einem Budget von sieben Milliarden Euro ausgestattet ist; öffentliche Verkehrsmittel und Radfahren (1,2 Milliarden Euro); und öffentliche Subventionen für den Kauf von Elektrofahrzeugen (bis zu 7.000 Euro pro Fahrzeug).
„Dank dieser Subventionen ist der Verkauf von Elektrofahrzeugen gestiegen, mit dem französischen Modell [Renault] Zoe an der Spitze. Dieses ist inzwischen das meistverkaufte Elektroauto-Modell in Europa,“ loben Amaury Parelle und Antoine Gillod, Forscher am Climate Chance Observatory, im Gespräch mit EURACTIV Frankreich.
Die beiden Forscher weisen jedoch ebenso auf anhaltende Verzögerungen in Frankreich und in Europa im Allgemeinen hin, insbesondere auf den Straßen: „Es wird fast nichts getan, um den Absatz großer Fahrzeuge wie SUVs zu reduzieren. In Europa machen sie immer noch 38,3 Prozent der verkauften Neufahrzeuge aus,“ merkt Parelle an. Im Gegensatz dazu gebe es in der EU keine gezielte Subventionspolitik für kleine Fahrzeuge.
Der Bericht von Climate Chance weist derweil auf beispielshafte Initiativen aus anderen Regionen der Erde hin: „Japan ist, genau wie Frankreich, ein großes Autoherstellerland. Dennoch ist es ihnen dort gelungen, eine jährliche Steuer auf das Fahrzeuggewicht zu erheben, beginnend bei 500 kg.“
Davon scheint Frankreich mit seinem 1.800-Kilo-Plan derzeit noch weit entfernt.
[Bearbeitet von Tim Steins]