Sollen die europäischen Bürger:innen den Haushalt der Union bestimmen?

Laut Jean-Monnet-Professor Alberto Alemanno war die Initiative "Next Generation EU" eine verpasste Gelegenheit, die Öffentlichkeit in die Entscheidung über die Verwendung der EU-Mittel einzubeziehen. [EPA/OLIVIER HOSLET]

Abgeordnete und Expert:innen schlagen vor, ein Instrument auf Stadtebene zu entwickeln, das es den Bürger:innen ermöglicht, über die Verwendung eines Teils der kommunalen Mittel zu entscheiden.

In einem Bericht aus dem Jahr 2021 schlägt das Europäische Parlament vor, mit Bürgerhaushalten auf EU-Ebene zu experimentieren und den Europäer:innen die Möglichkeit zu geben, mitzuentscheiden, wie das EU-Geld ausgegeben wird.

Der Bericht versuche herauszufinden, „wie wir auf EU-Ebene die Entscheidungsfindung durch neue Werkzeuge und Instrumente für die Beteiligung der Bürger:innen ergänzen können“, so Berichterstatter Helmut Scholz gegenüber EURACTIV.

Nach Ansicht von Scholz könnte die aktuelle politische Situation in Europa einen „weiteren positiven Impuls“ für ein Umdenken in der Diskussion über den EU-Haushalt geben.

„Geben wir Milliarden von Euro für die Verteidigung der Union aus, oder geben wir diese Milliarden jetzt für die Umwelt, die Bekämpfung der Klimakrise, eine andere Energiepolitik oder Migration aus?“

Wie funktioniert ein Bürgerhaushalt?

Participatory budgeting, the shared decision between local government and citizens on how to spend a part of the municipal budget, is becoming increasingly popular across the bloc.

Machbarkeit

Die Bürgerinnen und Bürger über den EU-Haushalt mitentscheiden zu lassen, könnte eine Herausforderung sein, ist aber „absolut machbar“, so Elisa Lironi, Senior Managerin beim European Citizen Action Service (ECAS).

Ihrer Meinung nach sollte der Bürgerhaushalt auf EU-Ebene mit einem kleinen Anteil am Haushalt starten. Dabei sollten die Bürger ähnlich wie bei einem Konsultationsprozess gefragt werden, wofür die Europäische Union diesen Betrag ausgeben soll.

Die Einführung eines solchen Instruments auf europäischer Ebene sei jedoch „nicht unmittelbar“, sagte Alberto Alemanno, Jean-Monnet-Professor für EU-Recht an der HEC Paris.

„Es ist nicht so einfach, die Bürger:innen direkt in die Vergabe der europäischen Haushaltsmittel einzubeziehen“, sagte er gegenüber EURACTIV.

Da europäische Gelder in der Regel an nationale Behörden überwiesen werden, die für die Umverteilung dieser Mittel zuständig sind, „kann ein europäischer Bürgerhaushalt nur auf nationaler Ebene konzipiert und gestaltet werden“, so Alemanno.

Die EU könnte jedoch eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, die Mitgliedstaaten zu drängen, die Öffentlichkeit über die Verwendung der EU-Gelder zu befragen.

EU-Leitlinien

„Wenn die Europäische Union sie nicht dazu zwingt, indem sie alle Methoden zur Verfügung stellt und auch die Bereitstellung von Finanzmitteln an den Bürgerhaushalt koppelt, glaube ich nicht, dass dieser so schnell eingeführt wird, wie wir es uns wünschen.“

Alemanno ist der Ansicht, dass die EU ein „Instrumentarium für Bürgerhaushalte“ für die nationalen Behörden ausarbeiten sollte, in dem die zu verwendenden Methoden und Verfahren beschrieben werden.

In der Zwischenzeit könnte das Wiederaufbauprogramm Next Generation EU nach der Pandemie als ein „gutes Beispiel dafür dienen, wie man es nicht machen sollte“, sagte er.

Der 800 Milliarden Euro schwere Wiederaufbauplan wurde auf EU-Ebene mit einem Top-Down-Ansatz entworfen, obwohl er „möglicherweise der wichtigste Versuch der Europäischen Union ist, Ressourcen von der europäischen Ebene auf die Ebene der Bürger:innen zu übertragen.“

„Es gab keinerlei Partizipation“, sagte Alemanno und fügte hinzu, dass Konsultationen auf nationaler Ebene hätten durchgeführt werden müssen, um einen Teil der Mittel entsprechend den Erwartungen der Bevölkerung zu verteilen.

Von der städtischen Ebene zur EU

Während die nationalen Regierungen immer noch zögern, Mitgestaltungsprogramme einzuführen, haben viele europäische Städte in den letzten zwei Jahrzehnten partizipative Instrumente eingesetzt.

In Europa gibt es mehr als 4.500 Bürgerhaushaltsverfahren, und einige Länder wie Schottland und Polen haben sogar nationale Rahmenregelungen eingeführt, die die Kommunalverwaltungen verpflichten, die Bürgerinnen und Bürger bei der Verwendung der Mittel einzubeziehen.

Der Bürgerhaushalt: Europas Mittel zur Stärkung des Vertrauens in die Regierungen

Der Bürgerhaushalt – die gemeinsame Entscheidung zwischen Kommunalverwaltung und Bürger:innen darüber, wie ein Teil des städtischen Haushalts ausgegeben werden soll – wird in Europa zu einem immer beliebteren demokratischen Instrument.

Lironi sagte, der Vorteil von Bürgerhaushalten auf lokaler Ebene sei, dass „die Menschen die Auswirkungen sofort sehen können, sie erleben unmittelbar, ob das Geld für die Gestaltung eines neuen Parks in der Nachbarschaft oder für eine neue Schule verwendet wird.“

Ihrer Ansicht nach könnten Bürgerhaushalte auch auf EU-Ebene „sehr konkret“ sein, vor allem wenn sie sich auf bereichsübergreifende Themen konzentrieren, wie die Zuweisung von Mitteln für Erasmus und andere EU-Programme.

Die Einbeziehung der Bevölkerung in andere Angelegenheiten auf nationaler oder europäischer Ebene könnte jedoch eine größere Herausforderung darstellen, so Alemanno.

„Die Entscheidung, ob ein europäisches Land wie Spanien mehr in erneuerbare Energien investieren und Anreize für Elektrofahrzeuge schaffen sollte, oder ob die Anzahl der auf dem Markt befindlichen Plastikflaschen reduziert werden soll, ist eine Entscheidung, die vielleicht etwas weiter weg ist.

Dennoch bleibt Alemanno optimistisch, dass der Bürgerhaushalt eine Zukunft jenseits der lokalen Entscheidungsfindung hat.

Da sie auf städtischer Ebene bereits eine „permanente und institutionalisierte“ Praxis darstellen, sind Bürgerhaushalte seiner Meinung nach weiter entwickelt als andere Instrumente der Bürgerbeteiligung und könnten sich daher leichter auf die nationale und europäische Ebene ausweiten lassen.

[Bearbeitet von Alice Taylor]

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