Jeder Versuch, die Europäische Union von der NATO zu distanzieren, würde auch die Spaltung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten vertiefen, warnte der portugiesische Verteidigungsminister João Gomes Cravinho vergangene Woche. Er argumentiert stattdessen, dass die Kooperationsmechanismen und die Kompetenz-Aufteilung zwischen den beiden Partnern verbessert werden sollten.
„Der Versuch, sich von der NATO zu entfernen, würde nur die Spaltung innerhalb der EU vertiefen. Die NATO war und bleibt eindeutig ein wichtiger Beitrag zur gemeinsamen europäischen Verteidigung,“ sagte Cravinho am vergangenen Freitag.
Den angeblichen „Widerspruch“ zwischen einem Bekenntnis zur NATO und der Vertiefung einer EU-Verteidigungspolitik bezeichnete er als eine „falsche und überholte Dichotomie“. Das transatlantische Bündnis sei nach wie vor das „robusteste und effektivste Instrument“ für die Verteidigung der europäischen Staaten.
„Das Konzept [der strategischen Autonomie] sollte als die Fähigkeit der EU verstanden werden, mehr zu tun – vorzugsweise mit Partnern, aber gegebenenfalls eben auch alleine. Der Versuch, die strategische Autonomie der EU dazu zu nutzen, weniger in der NATO zu tun oder sich gar von der NATO loszusagen, wäre unserer Ansicht nach aber ein großer Fehler,“ sagte er weiter.
„Wir hoffen, dass der informelle Rat der Verteidigungsminister im März – der, wie wir hoffen, in Form eines persönlichen Treffens stattfinden kann – ein guter Zeitpunkt sein wird, um den politischen Dialog mit unseren transatlantischen Partnern, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, zu erneuern und dabei eine erste Bilanz des Ansatzes der neuen US-Regierung zu ziehen. Dieser unterscheidet sich eindeutig und glücklicherweise sehr von dem der vorherigen Regierung,“ so der portugiesische Minister.
Fokus: Sahel und östliches Mittelmeer
Cravinho identifizierte derweil die afrikanische Sahelzone als eine Region, in der es eine klarere Aufgabenteilung zwischen der NATO und der EU geben könne: „Ein Gebiet, das meiner Meinung nach in dieser Hinsicht sehr relevant ist, ist die Sahelzone, die ein Gebiet großer Instabilität ist, das eine unmittelbare Bedrohung für Europa darstellt. Ich denke, die EU-Mitgliedsstaaten und das europäische Militär sollten dort eine bedeutende Verantwortung haben. Die Unterstützung der NATO in der Region wird zwar geschätzt – aber vor allem in Bezug auf Informationen, die sie liefern können.“
Für den östlichen Mittelmeerraum sei hingegen die NATO deutlich wichtiger: „Es muss sichergestellt werden, dass [das östliche Mittelmeer] nicht zu einer Region wird, in der eigentliche Partner divergierende Interessen haben. Die NATO kann diesbezüglich eine zentrale Rolle spielen.“
Der Verteidigungsminister fuhr fort: „Die NATO kann mit einer starken Präsenz und einer engagierten US-Administration viel dazu beitragen, eine Plattform der Verständigung im östlichen Mittelmeer zu schaffen. Das wäre auch für die EU von großem Nutzen, insbesondere in ihrem Verhältnis zur Türkei.“
Nach monatelanger Eskalation um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer hatten Athen und Ankara kürzlich die lang erhofften Sondierungsgespräche aufgenommen, um Spannungen wieder abzubauen. Es ist jedoch noch nicht klar, ob diese informellen Gespräche tatsächlich zu offiziellen Verhandlungen zwischen den beiden Ländern führen werden.
Die EU hat ihrerseits gedroht, beim nächsten EU-Gipfel im März Sanktionen zu verhängen, wenn Ankara seine Provokationen in der Region nicht einstellt.
Ein Anti-Konfliktmechanismus im Rahmen der NATO, der auch von Deutschland ausdrücklich unterstützt wird, soll derweil einen direkten Kommunikationskanal zwischen Griechenland und der Türkei gewährleisten. Ziel ist es vor allem, „Unfälle“ aufgrund des hohen Schiffsaufkommens im östlichen Mittelmeer zu vermeiden.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]