Die polnische Regierung hat vergangene Woche einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der das höchste Gericht des Landes unter die Kontrolle der Exekutive stellen würde. Trotz Druck und mehrmaliger Nachfrage von Journalisten hat sich die EU bisher nicht zu dem Thema geäußert.
Nach der Reform des polnischen Verfassungsgerichts nimmt die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nun auch den obersten Gerichtshof, der die niedriger gestellten Gerichte kontrolliert, ins Visier.
Der Gesetzesvorschlag, der Donnerstag früh vorgelegt wurde, sieht vor, dass die derzeitigen Richter des Gerichtshofes zurücktreten müssen – mit Ausnahme derjenigen, die vom Justizminister ernannt wurden. Der Minister würde auch die Nachfolger der ausscheidenden Richter bestimmen. Außerdem würden im Falle eines Ausscheidens des Oberrichters „seine Rechten und Pflichten auf einen vom Justizminister bestimmten Richter übergehen“, so der Vorschlag weiter.
„Die Ankündigung eines Coups“
Grzegorz Schetyna, Vorsitzender der Bürgerplattform (PO), der größten Oppositionspartei, wies den Vorschlag scharf zurück und nannte ihn „die Ankündigung eines Coups“. Die Oberrichterin des Gerichtshofes Małgorzata Gersdorf, die sich bereits gegenüber anderer Reformvorschläge der PiS kritisch gezeigt hatte, fügte am Donnerstag hinzu, das Gesetz würde den obersten Gerichtshof in ein „dem Justizministerium höriges Gericht“ verwandeln. Der Vorschlag, der nun vom PiS-dominierten Parlament angenommen werden muss, mache den Gerichtshof „extrem abhängig von der Exekutive. Das ist nicht hinnehmbar“, sagte Gersdorf.
Bereits am Mittwoch hatte die PiS ein Gesetz durchgebracht, das dem Parlament mehr Mitsprachrecht bei der Ernennung von Richtern gibt. Die Opposition und Rechtsorganisationen konterten, das Gesetz verstoße gegen das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung. Nach dem Versuch, staatliche Medien verstärkt zu kontrollieren, seien die neuen Rechts-Gesetze ein weiterer Versuch der PiS, ihre Macht zu festigen.
Für vorherige Reformen des Verfassungsgerichts, darunter eine Änderung der Reihenfolge, in der Fälle bearbeitet werden sowie eine Änderung der Ernennungsprozedur des Oberrichters, ist die PiS nicht nur von der heimischen Opposition, sondern auch von der Europäischen Kommission gerügt worden.
Die Reformen entsprächen nicht den Empfehlungen des Europarats sowie den Regeln der Rechtstaatlichkeit der Europäischen Kommission. Polen ist das einzige EU-Land, das gegen diese Prinzipien der Kommission verstößt. Gegen das Land wurden deswegen Verfahren eingeleitet. Dadurch könnte Polen beispielsweise seine Stimmrechte innerhalb der EU verlieren. Dafür ist allerdings Einstimmigkeit der übrigen Länder notwendig – und Ungarn hat bereits angekündigt, Sanktionen nicht unterstützen zu wollen.
Der Vorsitzende der EVP Manfred Weber und andere MEPs riefen die Kommission auf, auch gegen die neuesten Gesetzesvorschläge der polnischen Regierung vorzugehen.
PiS is putting an end to the rule of law & leaving the European community of values. We call on Polish government to drop this reform plan.
— Manfred Weber (@ManfredWeber) July 13, 2017
We also call on the @EU_Commission and the governments of the EU States to react and take measures against the Polish government. @EPPGroup
— Manfred Weber (@ManfredWeber) July 13, 2017
In einer Pressekonferenz am Donnerstag übten Journalisten Druck auf den stellvertretenden Sprecher der Kommission, Alexander Winterstein, aus. Winterstein ließ jedoch viele Fragen unbeantwortet und teilte lediglich mit, die Kommission werde die neuesten Entwicklungen entsprechend der EU-Rechtsstaatlichkeitsprinzipien genau überprüfen. Bis diese Überprüfung abgeschlossen sei, werde das Thema nicht kommentiert.