Das EU-Parlament rückt nach dem Brexit zusammen und wird kleiner. Die nationalistischen und populistischen Parteien wollen dann eine gemeinsame, neue EU-Fraktion gründen.
Nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU werden 73 britischen Mandate im Europäischen Parlament wegfallen. Gleich zwei bestehende EU-Fraktionen werden davon betroffen sein: Das gilt zunächst für die EKR, die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. Mit insgesamt 73 Abgeordneten aus 16 Ländern ist sie die drittgrößte Fraktion des Parlaments, Ihre Mitglieder sind EU-kritisch, konservativ und rechtspopulistisch eingestellt. Der Abschied der britischen Conservative Party und ihrer 18 Mandatare bedeutet für die EKR einen großen Aderlass. Übrig bleiben als große Partei dann nur noch die polnische Regierungspartei PiS mit 15 Abgeordneten und fünf der sieben EU-Parlamentarier der AfD.
Und auch der EFD, der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ steht ein solcher Verlust bevor. Sie verfügt derzeit über 43 Sitze im EU-Parlament. Hier nimmt die britische UK Independence Party (UKIP) Abschied. Mit ihr verliert die Fraktion gleich 18 und somit mehr als ein Drittel der Abgeordneten. Die 14 Mandatare der italienischen Movimento Cinque Stelle bilden dann die einzige noch verbleibende große Einzelpartei.
Just die kleinste der drei EU-kritischen und populistischen Fraktionen, nämlich die 35 Parlamentarier zählende Gruppierung „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) versucht sich nun als Drahtzieher für die Gründung einer neuen Plattform, die gewissermaßen dem Motto huldigt: „Populisten aller EU-Länder vereinigt Euch“.
Neue Rechts-Plattform schon länger im Gespräch
Hier gab es bei einem Teil der Mitglieder schon länger – EurActiv berichtete – Überlegungen für eine Neugründung. Anlass war vor allem Marine Le Pen, die mit ihrer Front National, die mittlerweile auf Rassemblement National umgetauft wurde, eine zu dominante Rolle spielte. Parteien wie die österreichischen FPÖ, die italienische Lega Nord und die niederländische Partij voor de Vrijheid streckten daher bereits die Fühler nach „like minded“ Parteien aus, um sich neu zu organisieren. Das betraf vor allem die polnische PiS, die deutsche AfD, ja sogar die ungarische „Fidesz“, die zwar Mitglied bei der EVP ist, dort allerdings mittlerweile auf starke Ressentiments stößt.
Der italienische Innenminister und Lega-Politiker Matteo Salvini hat in einem Interview mit der „Washington Post“ erklärt, dass man an einer neuen Populisten-Plattform arbeitet: „Ich will die Parteien vereinen, die die neue Mehrheit im EU-Parlament bilden werden“. Und Harald Vilimsky, Vize-Generalsekretär der FPÖ und EU-Parlamentarier, der erst jüngst durch einen Angriff auf EU-Kommissionspräsident unangenehm auffiel, bestätigte sofort diese Überlegungen mit dem Hinweis, die Phalanx der Koalition von EVP und S&D im EU-Parlament, die zusammen 408 der 751 Sitze innehaben, brechen zu wollen. Vilimsky hält sich derzeit in den USA auf.
Einmischung aus den USA
Von dort kommt indessen eine weitere Ansage, sich in die europäische Politik einzumischen: Steve Bannon, umstrittener Ex-Berater von Präsident Donald Trump und Vertreter der radikalen Rechten in den Vereinigten Staaten will sein Augenmerk – so berichtete jedenfalls das Nachrichtenportal „Daily Beast“ – nach den Zwischenwahlen, die im November in den USA stattfinden, auf Brüssel richten. Sein Ziel ist die Gründung einer Bewegung namens „The Movement“, mit der er Rechtspopulisten um sich scharen und so die Wahlen zum Europaparlament im Frühjahr 2019 aufmischen möchte. Bannon will damit am rechten Flügel ein Äquivalent zum ungarischen US-Investor George Soros bilden, der sich um die Unterstützung liberaler Kräfte bemüht.
Geht es nach den aktuellen Berechnungen, die man im Präsidium der EU-Kommission führt, dann sind Ansagen, wie jene von Salvini, die von einer neuen Mehrheit der Rechtspopulisten träumen, unangebracht. Sie werden zulegen, aber klar in der Minderheit bleiben. Trotzdem ist man sich bewusst, dass es in den letzten Monaten der laufenden Legislaturperiode vor allem darum gehen wird, eine überzeugende Politik zu machen und konkrete Lösungen für die großen in Diskussionen stehenden Probleme vorzulegen.
TRotz des Verlustes von 46 Sitzen dürfte sich wenig an den bestehenden Machtverhältnissen im EU-Parlament ändern, auch da die ausscheidenden britischen Parteien keine Mitgliedschaften bei den beiden großen Fraktionen hatten. Die EVP dürfte aufgrund des aktuellen europäischen Parteitrends ihre relative Mandatsmehrheit sicher verteidigen und bedingt durch die Verkleinerung des Parlaments sogar prozentuell zulegen. Die Sozialdemokraten müssen derzeit zwar mit Verlusten rechnen, wobei neuerdings immer wieder die Rede ist, dass Emmanuel Macrons „La République en Marche“ ein Bündnis mit der S&D-Fraktion bilden könnte. Womit die schwarz-rote pro-EU-Achse weiter Bestand hätte.