Nächste Woche legt die EU-Kommission ihre konkreten Vorschläge zur Zukunft der Kohäsionspolitik vor. Bereits jetzt zeichnet sich ein Trend ab: das Budget wird gekürzt, Kompetenzen wandern auf die nationale Ebene. Ein Ausblick auf die mögliche Zukunft der Regionalpolitik.
Budgets sind in Zahlen gegossene Politik, heißt es. Sie sagen viel darüber aus, was die Prioritäten einer Institution sind. Wenn dem so ist, dann liest sich eins ganz klar aus dem allgemeinen Haushaltsentwurf, den die Kommission für die nächste Periode vorgelegt hat: die traditionellen Säulen der EU, nämlich Kohäsionspolitik und Landwirtschaft, weichen zugunsten von Innovation, Bildung und Verteidigung.
Dabei fallen die Kürzungen der Regionalpolitik nicht ganz so drastisch aus, wie ursprünglich befürchtet. Sieben Prozent sollen es laut Haushaltskommissar Günther Oettinger weniger werden – das klingt verkraftbar. Nur sind es keine sieben Prozent. Legt man den Berechnungen das Preisniveau von 2018 zugrunde, wie es das EU-Parlament und der Ausschuss der Regionen (AdR) tun, ergibt sich Folgendes: das Budget für Kohäsionspolitik sinkt um 47 Milliarden Euro – bereinigt um den Anteil Großbritanniens, der dann wegfällt, sind es Einsparungen von 36 Milliarden Euro. Das wären unabhängig vom Brexit zehn Prozent weniger.
Wohin fließen die 36 Milliarden stattdessen? Die aus den Kohäsionsfonds entnommenen Gelder dürften in das neu geschaffene „Instrument zur Unterstützung von Strukturreformen“ fließen, ein 25 Milliarden schweres Programm zur Anregung von Reformen in den Mitgliedsstaaten. Damit möchte die Kommission die EU-Länder dazu bewegen, ihre Empfehlungen für nationale Reformen umzusetzen, die sie jedes Jahr im Rahmen des „Europäischen Semesters“ formuliert.
Zum Missfallen der Kommission scheitert es aber meist an der Umsetzung: gerade mal ein Viertel ihrer Vorschläge wurden zwischen 2011 und 2017 wirklich umgesetzt, gibt sie an.
Der Sozialfonds als Instrument für Reformen?
Hier kommt nun die Kohäsionspolitik ins Spiel. Einer ihrer Fonds, der Europäische Sozialfonds (ESF), soll in Zukunft an die Ziele im Europäischen Semester gekoppelt werden. Soll heißen: statt primär lokaler Projekte zu fördern, sollen die Mittel verstärkt zur Finanzierung von sozialen Reformen genutzt werden. Dafür soll der ESF+ nicht weiter in regionalen Programmen festgelegt, sondern auf nationaler Ebene gehandhabt werden. Inwiefern ein Staat daraus individuelle Programme für seine Regionen schafft, bleibt ihm überlassen.
Ein kürzlich geleaktes Dokument, dem Entwurf der Kommission zum zukünftigen ESF+, macht diese Absicht deutlich. Dort heißt es klar: „Mitgliedsstaaten sollen die ESF+ Mittel zur Erfüllung von Aufgaben konzentrieren, welche in den nationalen Reformprogrammen, im Europäischen Semester sowie in den länderspezifischen Empfehlungen festgehalten wurden.“ In diesem Rahmen sollen Mitgliedsstaaten unter anderem mindestens 25 Prozent ihres ESF+ Budgets in Integrationsprojekte investieren.
Bis zu welchem Grad die Mittel aus dem Sozialfonds letztendlich an Reformvorgaben geknüpft werden, wird sich am 30. Mai zeigen, wenn Sozialkommissarin Marianne Thyssen ihre konkreten Vorschläge zum zukünftigen ESF+ präsentieren wird.
Wird Regionalpolitik zunehmend zentral geschehen?
Vertreter des Ausschusses der Regionen sind vor allem alarmiert, dass der ESF+ auf nationale Ebene verlegt werden soll. Sie sehen darin eine Instrumentalisierung durch die Kommission, die Regionalmittel für Zwecke der witschaftlichen Stabilität einzusetzen und sie von ihrem Zweck zu entfremden. Denn nationales Wirtschaftswachstum und regionale Kohäsion sind nicht unbedingt deckungsgleiche Ziele. Auch ein finanziell starkes Land kann gewaltige interne Unterschiede aufweisen, wie man am Beispiel Deutschland sieht.
„Wir widersetzen uns ausdrücklich gegen jegliche Vorschläge, einen neuen Fonds zu schaffen, der unter nationalstaatlicher Kontrolle steht. Die großen Herausforderungen der Zukunft können nur gelöst werden, indem die speziellen Bedürfnisse der Regionen bedacht werden“, meint Catiuscia Marini, Berichterstaterin des AdR, zum Thema ESF+. Ein Sprecher des AdR schlägt dazu vor: „Wenn die Kommission die Kohäsionspolitik näher an das Europäische Semester bringen will, ist die Lösung, dort eine regionale Dimension einzubauen. Dann müssen in den Vorschlägen regionale Ziele definiert werden, statt das Geld aus der Hand der Regionen zu nehmen“.
Neue Indikatoren könnten für einige mehr Geld bedeuten
Ein weiterer wichtiger Punkt, der die Kohäsionspolitik entscheidend prägen wird, ist der Verteilungsschlüssel der Gelder. Nächste Woche wird die Kommission nämlich auch verkünden, welche neuen Indikatoren zur Vergabe von Geldern herangezogen werden sollen. Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit werden auf jeden Fall eine Rolle spielen und Länder wie Polen oder Ungarn treffen. Ebenfalls im Gespräch sind Jugendarbeitslosigkeit oder Umweltschutz. Auch eine neue Kategorisierung von Regionen könnte neue Gewinner und Verlierer hervorbringen. Kommissar Oettinger hat allerdings bereits eine – wenn auch hoch angesetzte – Bremse angekündigt: Keine Region soll mehr als 30 Prozent Änderung an ihrer früheren Förderung erfahren.
Wie genau die Bedingungen für den ESF+ und seine Geschwisterfonds aussehen sollen, wird am 30. Mai feststehen. Dann geht es an die Verhandlungen mit Parlament und Rat. Die Mitgliedsstaaten werden keinen Grund haben, sich gegen eine Nationalisierung der Kohäsionspolitik zu stellen. Für die Regionen bleibt also die Hoffnung, dass das Parlament sich für sie stark macht.