In Wien warnte EU-Kommissionspräsident vor „stupiden Populismus und borniertem Nationalismus“ sowie einem „sozialen Kollaps“.
Am 12. Oktober wird Österreich im Rahmen eines Festaktes des 100sten Jahrestages der Gründung der Ersten Republik gedenken. Im Vorfeld stattet EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker Wien einen Besuch ab, um dem Land im Namen der EU seine Referenz zu erweisen. In seiner Rede vor dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und den neun Landeshauptleuten skizzierte er seine Vision von Europa: offenbar eine EU zu sein, die auf der Basis der Subsidiarität funktioniert. Denn, so Juncker, es wird in Zukunft keinen Wettbewerb der Staaten geben – sondern einen der Regionen. Die EU werde nicht zu den Vereinigten Staaten von Europa werden. Er sei aber auch gegen eine „Verzwergung“ und plädierte daher einmal mehr für ein selbstbewusstes und solidarisches Europa.
Der EU-Kommissionspräsident versäumte es nicht, auch mahnende Worte zu sprechen. Schon einmal, vor dem Zweiten Weltkrieg, habe es einen „Weltaugenblick“, wie dies der Schriftsteller Stefan Zweig formulierte, gegeben. In solchen Momenten dürfe man weder das Falsche noch nichts tun. Daher: „Wir müssen aufstehen, wenn Gefahr von rechts sich ungehindert durchsetzt, wenn stupider Populismus und bornierter Nationalismus einen Marsch in die Zukunft antreten, den man stoppen muss, so lange dazu noch Zeit ist.“ In diesem Zusammenhang appellierte er an das derzeitige EU-Vorsitzland, dass es „gegen Unrecht rebelliert“. Denn Österreich solle auch künftig „eine Brückenbauerrolle“ einnehmen. Das kenne es schon aus der Vergangenheit.
Auch im Sozialen ist ein Triple A gefragt
Juncker nutzte seinen Aufenthalt in Wien, um einen Dialog mit den derzeit europakritischen Gewerkschaften zu führen. Für sie geht es derzeit um eine Richtungsfrage, nämlich „Soziales Europa oder Freihandelszone für Konzerne“. Gewarnt wird in Hinblick auf den freien Arbeitsmarkt, dem Hereindrängen von Arbeitskräften aus Niedriglohnländern im Osten Europas, vor allem vor Lohn- und Sozialdumping. Für die Gewerkschafter steht daher die Frage im Vordergrund, was getan werden muss, um die EU vor einem „sozialen Kollaps“ zu bewahren und das soziale Gleichgewicht wiederherzustellen.
Juncker äußerte Verständnis für diese Sorgen und meinte, dass soziale Themen allzu lange „unterbelichtet“ waren. Dass sich breite Teile der Arbeitnehmerschaft vom gemeinsamen Europa entfernen würden, sie eine „gefährliche Entwicklung“. Daher sei auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik „ein Triple A“ gefordert. Die von der EU geplante Aufsichtsbehörde ELA, um deren Sitz sich Österreich bemüht, soll daher kontrollieren, ob Mindestlöhne und Sozialstandards in den Mitgliedsstaaten eingehalten werden. Der Vorschlag liegt schon länger auf dem Tisch und der Ball damit beim Rat. Worauf Juncker noch den zarten Hinweis fallen ließ, dass Österreich ja derzeit den Ratsvorsitz innehat und Einfluss auf die jeweiligen Tagesordnungspunkte nehmen kann.