Die Europaabgeordneten haben vergangene Woche in Straßburg grünes Licht für den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) gegeben. Allerdings bestehen nach wie vor einige Unsicherheiten: Ein von EURACTIV eingesehenes Rechtsgutachten weist darauf hin, dass die Einrichtung des Fonds gegen EU-Recht verstoßen könnte.
Die EU-Gesetzgeber unterstützten den EVF-Vorschlag mit 337 Ja-Stimmen bei 178 Gegenstimmen und 109 Enthaltungen.
Der Fonds war von der Europäischen Kommission erstmals im November 2016 vorgeschlagen worden. Mit ihn soll eine integrierte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik erreicht werden. Im Juni legte die Kommission einen entsprechenden Verordnungsentwurf vor, in dem festgelegt wird, dass der EVF vor allem die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben unterstützen sowie zur Förderung der europäischen Rüstungsindustrie dienen soll.
Nach Genehmigung durch den EU-Rat würde der EVF gemäß den Plänen in Kürze 13 Milliarden Euro aus dem nächsten langfristigen Haushalt (MFR) der EU erhalten. Dieses Budget teilt sich auf in 4,1 Milliarden Euro für die gemeinsame Verteidigungsforschung und 8,9 Milliarden Euro zur Kofinanzierung von militärischen „Entwicklungsprojekten“.
Dazu könnte dann auch die Entwicklung neuer Waffensysteme zählen, darunter eine „Euro-Drohne“, ein Jagdflugzeug der nächsten Generation oder ein deutsch-französischer Kampfpanzer. Anfang November hatten die EU-Mitgliedstaaten dem Projekt „in seiner allgemeinen Richtung“ weitgehend zugestimmt.
„Es ist unerlässlich, dass wir die europäische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich verbessern, um Doppelarbeit zu vermeiden, unsere strategische Autonomie zu gewährleisten und starke industrielle Vorzeigeprogramme zu entwickeln. Jetzt liegt es an dem Rat, seiner Verantwortung gerecht zu werden, um bei den Verhandlungen einen echten Gemeinschaftsansatz zu erhalten“ so Françoise Grossetête, Sprecherin der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.
Zweifel an Rechtmäßigkeit des Verteidigungsfonds
Im Vorfeld der Abstimmung im Plenum hatte die Linken-Fraktion im Parlament jedoch ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob der EVF mit dem EU-Recht vereinbar ist.
Laut Andreas Fischer-Lescano von der Universität Bremen, der die Rechtsstudie verfasst hat, verbietet der Vertrag von Lissabon ausdrücklich die Finanzierung von Militär- oder Verteidigungsvorhaben aus dem gemeinsamen Haushalt der Europäischen Union.
„Diese Bewertung gilt unabhängig davon, ob das vorrangige Ziel des EVF die Förderung der Verteidigungsfähigkeiten oder der strategischen Verteidigungsautonomie der EU ist – wie in der Begründung der EVF-Verordnung vorgeschlagen -, oder ob man von dem in der Verordnung genannten Ziel einer integrierten Unterstützung der Industrie und von Maßnahmen im Verteidigungssektor ausgeht, oder ob eine Kombination von drei übergeordneten Zielen (Förderung von Verteidigung, Industrie und Forschung) als Grundlage herangezogen wird,“ argumentiert Lescano in seinem Gutachten. Diese Argumentation wurde auch von zwei weiteren EU-Rechtsexperten bestätigt, die EURACTIV in dieser Frage kontaktierte.
„Dieser Bericht zeigt deutlich, was wir seit langem anprangern“, sagte die linke Abgeordnete Sabine Lösing vor der Abstimmung. Sie betonte: „Artikel 41 des EU-Vertrags verbietet die Finanzierung von Verteidigungs- und Militärprogrammen, und damit von Rüstungsprogrammen.“
Kommission spielt Bedenken herunter
Auf die Bitte von EURACTIV, sich zu dem Rechtsgutachten zu äußern, wiesen EU-Beamte diese Bedenken jedoch zurück.
„Der Europäische Verteidigungsfonds wird finanzielle Mittel und Anreize bereitstellen und die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an Kooperationsprojekten sowie bahnbrechende Innovationslösungen stark fördern,“ teilte ein Sprecher der Kommission lediglich mit.
Ein weiterer EU-Beamter sagte EURACTIV, dass „das Ziel des EVF nicht darin besteht, militärische Operationen oder die Herstellung von [Rüstungs-]Kapazitäten zu unterstützen. Ziel ist es, die kooperative Forschung und Entwicklung der Rüstungsindustrie zu unterstützen.“
Er betonte, die Herstellung von „Verteidigungsgütern“ werde nicht aus dem EVF finanziert: „Dies liegt in der Verantwortung der Industrie und der Mitgliedstaaten.“
Nach Ansicht der Kommission werden vor allem Investitionen in moderne und interoperable Geräte und Technologien in Bereichen wie Verschlüsselungssoftware, Drohnentechnologie oder Satellitenkommunikation benötigt.
„Alle Projekte im Rahmen des Fonds müssen dem Völkerrecht entsprechen und im Einklang mit ethischen Normen durchgeführt werden,“ betonte der Kommissionssprecher. Vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission durchgeführte rechtliche Analysen hätten dem Fonds in dieser Hinsicht eine „weiße Weste“ bescheinigt.
Der Fonds kommt zusammen mit dem Abkommen über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) der EU zu einem Zeitpunkt, an dem die EU bestrebt ist, ihre „strategische Autonomie“ gegenüber den USA zu stärken – und könnte ein erster Schritt zur Errichtung einer Europäischen Verteidigungsunion sein.
Daniel Fiott, Analyst am EU-Institut für Sicherheitsstudien (EUISS), erklärte, es herrsche die Erkenntnis vor, dass „wenn die Europäer in den nächsten fünf oder zehn Jahren keine eigenen Programme haben, wenn sie ihre eigenen kleinen und mittelständischen Unternehmen und Innovatoren nicht unterstützen, dann wird es in fünf bis zehn Jahren keine europäische Rüstungs- und Verteidigungsindustrie mehr geben.“
Dieses Thema sei aktuell besonders wichtig, da „in vielen Hauptstädten und vor allem in den Institutionen“ die Einsicht bestehe, dass die EU in Zukunft unabhängig von anderen internationalen Akteuren und ihren Interessen – seien es nun die USA, Russland, China oder andere Staaten – militärisch handlungsfähig sein müsse.