Beim Parteitag Mitte November wird sich die italienische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) auch mit dem ungelösten Problem ihrer Lage als buchstäbliche „Anti-Establishment-Partei“ im Europäischen Parlament befassen: Der M5S hat es nach wie vor nicht geschafft, sich einer Fraktion anzuschließen.
Während die Fünf-Sterne-Bewegung die größte Fraktion im italienischen Parlament stellt und Teil der Regierungskoalition ist, fristet sie im EU-Parlament ein Dasein als fraktionsloses Mitglied.
Nachdem der erste Versuch des M5S, eine eigene Fraktion zu bilden, gescheitert war, hat sich bisher keine andere Partei bereit erklärt, sich mit der populistischen Partei zusammenzuschließen oder sie in die Parlamentsfraktion aufzunehmen.
Ein Grund dafür dürfte die Unberechenbarkeit der Partei sein: Erst in der vergangenen Woche spaltete sich die 14-köpfige Delegation im EU-Parlament bei der Verabschiedung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): Fünf MEPs stimmten entgegen vorheriger Ankündigungen der Partei gegen das Agrarsubventionsprogramm.
Dies war nicht das erste Mal: Vier der fünf „GAP-Dissidenten“ hatten sich bereits im Herbst 2019 der Stimme enthalten oder gegen Ursula von der Leyen gestimmt, während die Partei die Kandidatur der Ex-Bundesverteidigungsministerin als EU-Kommissionspräsidentin offiziell unterstützte.
Die Vorsitzende der M5S-Delegation im EU-Parlament, Tiziana Beghin, hat der Parteiführung in Rom über die gegensätzlichen Ansichten in der Parlamentsgruppe bereits Bericht erstattet und mögliche Ausschließungen der Aufrührler angeregt.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Adnkronos wollte auch Ignazio Corrao, der bei beiden Abstimmungen gegen die offizielle Parteilinie votiert hatte, die Möglichkeit einer Spaltung der Gruppe nicht ausschließen.
Im Gespräch mit EURACTIV.com versuchte die M5S-Abgeordnete Eleonora Evi hingegen, die Wogen zu glätten: „Corrao wollte lediglich die Situation deutlich machen, dass die Positionen bezüglich GAP weit auseinander liegen.“
Die „grüne Evi“
Evi selbst hatte am vergangenen Freitag ebenfalls gegen den Vorschlag zur GAP-Reform gestimmt. Als Begründung sagte sie, der Text entspreche in seiner geänderten Fassung nicht dem, was nötig sei, um eine wirklich zukunftsgewandte Umweltpolitik zu definieren.
„Ich bin traurig, verärgert und erschüttert, dass die Mehrheit meiner Delegation diese Dringlichkeit nicht begriffen hat,“ fügte sie hinzu.
Evi gilt seit Langem als den Ansichten der Grünen nahestehend. Sie hat mit der Grünen-Fraktion bereits mehrere parlamentarische Anfragen mitunterzeichnet und nimmt auch des Öfteren an ihren Veranstaltungen teil.
Als kürzlich die vormals sozialdemokratische MEP Sylwia Spurek, mit der Evi bei diversen Dossiers zusammengearbeitet hat, sich dazu entschied, von der S&D zur Grünen-Fraktion zu wechseln, sorgte dies für Spekulationen, Evi könnte Spurek bald folgen.
Auf Nachfrage, ob sie ihre Zukunft weiterhin beim M5S sehe, betonte Evi, dies sei zumindest ihre Hoffnung. Sie wünsche sich aber eine „grünere Haltung“ ihrer Partei: „Wir sollten die Umwelt in den Mittelpunkt der politischen Agenda von M5S stellen. Unsere Aktivistinnen und Aktivisten haben schon immer Umweltkämpfe geführt.“
Wohin geht’s?
In einem Interview mit der Tageszeitung Corriere della Sera deutete die Fünf-Sterne-Delegationsleiterin Beghin an, vorerst würden Gespräche mit der sozialdemokratischen S&D und der liberalen Renew Europe weitergeführt.
Einige Fünf-Sterne-Abgeordnete des Europäischen Parlaments, darunter Evi, erklärten jedoch, nichts von derartigen Gesprächen zu wissen.
Ihrer Meinung nach wird in jedem Fall der bevorstehende Parteitag entscheidend sein, um ein für alle Mal den Platz der M5S im europäischen politischen Spektrum zu klären. Vor dem wichtigen Treffen im November dürfe ohnehin nichts entschieden werden.
„Ich hoffe weiterhin, dass sich die Türen der Grünen für uns öffnen werden – auch, weil dies meiner Meinung nach der logische Platz der M5S [im EU-Parlament] ist,“ fügte Evi hinzu.
Fraglich ist allerdings, ob die Grünen ihrerseits ein formelles Bündnis mit den Fünf Sternen eingehen würden. Eine Grünen-Vertreterin erklärte gegenüber EURACTIV.com im vergangenen Jahr, man werde nur Einzelpersonen in die Fraktion aufnehmen, wenn diese die italienische Populisten-Partei verlassen.
Evi glaubt daher: „Wenn die M5S ihre Widersprüche und Streitereien im Laufe der Zeit ausräumt, haben wir vielleicht eine bessere Chance, endlich Teil der europäischen grünen Familie zu werden.“
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]