Die französische Linke, die bei den diesjährigen Parlamentswahlen am Sonntag (19. Juni) als stärkste Konkurrenz gegen Macrons Bündnis antritt, bleibt in Fragen der Europäischen Union gespalten.
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inhaltliche Unterschiede zwischen den Parteien auf der linken Seite des politischen Spektrums hat es schon immer gegeben.
Ihre unterschiedlichen Auffassungen vom europäischen Einigungsprozess und der EU-Integration zeigen sich jedoch immer deutlicher in der Art und Weise, wie sie ihren Diskurs und ihre Programme gestalten. Damit tragen sie dazu bei, die französische politische Landschaft neu zu ordnen.
Differenzen innerhalb der Parteien
Während sich die linken Parteien untereinander in Bezug auf die EU unterscheiden, gibt es auch innerhalb der Parteien Differenzen, wie der Politikwissenschaftler Rémi Lefebvre beobachtet. „Jean-Pierre Chevènement hat die Sozialistische Partei aufgrund dieser Frage verlassen, ebenso wie Jean-Luc Mélenchon im Jahr 2008“, fügte er hinzu.
Diese „Skepsis hat es in der Sozialistischen Partei schon immer gegeben“, erklärte Lefebvre. Angesichts der Strukturen der EU, die wirtschaftlich als relativ liberal gelten, habe sie ihr Denken stets „auf sozialere Aspekte, auf eine weniger restriktive Haushaltspolitik, auf eine Politik des wirtschaftlichen Aufschwungs“ ausgerichtet.
Ex-Präsident François Hollande von der Sozialistischen Partei versprach sogar im Wahlkampf, die EU-Verträge neu zu verhandeln, gab diese Idee aber nach seiner Wahl wieder auf.
EU-Fragen dominieren die Debatten der Linken, denn „Europa ist zweifellos ein strukturgebendes Element, aber es wirkt nie allein“, fügte Lefebvre hinzu. Die „europäische Frage“ sei „vollständig mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen verflochten“ und werfe daher Fragen über „die Fähigkeit der Linken auf, eine alternative Politik zu führen“, sagte er.
EU dominierte Verhandlungen des Linksblocks
In den „zehn oder fünfzehn Verhandlungstagen“, die zur Bildung des von Jean-Luc Mélenchon geführten Linksblocks führten, „wurde vor allem über Europa debattiert“, so Théo Verdier, Ko-Direktor der Beobachtungsstelle für Europa der Jean-Jaurès-Stiftung.
Er fügte hinzu, dass dies zu Vereinbarungen führte, die von Partei zu Partei variierten, um alle Koalitionspartner zufriedenzustellen. So ist in der Vereinbarung zwischen Mélenchons France Insoumise und der Sozialistischen Partei von „vorübergehenden Ausnahmen“ von bestimmten europäischen Regeln die Rede, während in der Vereinbarung mit den Kommunisten von „Ungehorsam“ gesprochen wird.
Die Sozialisten haben sich dennoch bereit erklärt, sich dem Linksblock und einer bestimmten Form des Ungehorsams gegenüber der EU anzuschließen. Dies wäre vor der Pandemie, die die Karten hinsichtlich der Einhaltung bestimmter verbindlicher EU-Vorschriften, insbesondere der Haushaltsvorschriften, neu gemischt hat, undenkbar gewesen.
Dennoch nannten viele sozialistische Spitzenpolitiker:innen, die sich weigerten, dem Bündnis beizutreten, die Haltung zur EU als Grund, betonte Lefebvre. „Säkularismus, außenpolitische Fragen und die Haltung zur NATO“ hätten sich als weitere Gründe erwiesen.
Mélenchon jetzt gemäßigter gegenüber Europa
Inzwischen hat Mélenchon seine Haltung gegenüber der EU etwas abgeschwächt.
Der Frontmann der extremen Linken gab die Idee des Frexit auf, die er im Falle einer Ablehnung seiner Vorschläge zur EU-Reform propagierte, weil sie „zu unpopulär“ gewesen sei, so Lefebvre.
Das Programm, das Mélenchon vor den Präsidentschaftswahlen im April vorschlug, sei daher „weniger radikal als 2017“, fügte er hinzu.
Verdier zufolge lässt sich Mélenchons starke Ablehnung des europäischen Projekts auch durch „seine Basis“ erklären. Ein kleiner Teil der linken Wählerschaft, vor allem innerhalb der radikalen und extremen Linken, ist nach wie vor gegen Europa.
[Bearbeitet von Alice Taylor]