Wieder einmal sorgt Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) für einen Aufreger. Diesmal geht es um die Basis des Rechtsstaates.
Den Anlass für die hitzige Debatte bot ein ORF-Interview, das Dienstagabend (22.1.) gesendet wurde. Darin kündigte Kickl an, Grundregeln wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) hinterfragen zu wollen. Mit Blick auf rechtliche Hürden bei Abschiebungen forderte er, dass das Recht der Politik folgen müssen und nicht umgekehrt. Tatsächlich aber steht in der österreichischen Bundesverfassung, dass „die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden darf“. Für Rechtsexperten eine klare Sache: Kickl ist als Minister Teil der Verwaltung, die Gesetze macht aber das Parlament.
Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in #Österreich seit 59 Jahren im Verfassungsrang. An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik. (vdb)
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) January 23, 2019
Die Reaktionen blieben nicht aus. Ohne den Innenminister zu erwähnen, verurteilte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Versuche, an der Menschenrechtskonvention zu rütteln. Das „wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik“, schrieb Van der Bellen auf Twitter. Die EMRK stehe immerhin seit 59 Jahren in Österreich im Verfassungsrang.
Opposition fordert Rücktritt
Unisono empört zeigte sich Opposition. So moniert etwa die SPÖ einen schweren Anschlag auf den Rechtsstaat und forderte von Bundeskanzler Sebastian Kurz Konsequenzen. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried: „Politik darf sich niemals über den Rechtsstaat stellen. Kurz muss Kickl endlich aus der Regierung entfernen“.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak: „Wer meint, die Politik könne sich über das Recht stellen, ist als Minister in seinem Job ganz offensichtlich überfordert und vollkommen ungeeignet“. Im Übrigen sei die Europäische Menschenrechtskonvention untrennbar mit der EU-Mitgliedschaft verbunden.
Wenngleich die ÖVP-Spitze sich mit einer Reaktion zurückhielt, bezog der ihr zugerechnete Justizminister Josef Moser (in der Ära Jörg Haider gehörte er noch der FPÖ an, was die Sache besonders pikant macht) klar Stellung: „In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle“. In der österreichischen Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. Und schloss mit einer Rüge: „Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird“.
FPÖ will EMRK „evaluieren“
Die FPÖ hingegen verteidigte den Innenminister: „Allen, die jetzt die sogenannte ‚liberale Demokratie‘ in Gefahr sehen, sei ins Stammbuch geschrieben, dass es das Wesen der Demokratie ist, dass Gesetze auf Basis demokratischer Mehrheiten im Parlament beschlossen werden“, stellte Klubobmann Walter Rosenkranz fest.
Die von der FPÖ und deren Mastermind Kickl losgelöste Debatte ist allerdings nicht neu. Im Wahlprogramm der Freiheitlichen für die Nationalratswahl 2017 stand zum Beispiel, dass man die EMRK evaluieren wolle und diese „gegebenenfalls durch eine ‚Österreichische Menschenrechtskonvention‘, die auch das Heimatrecht der Österreicher schützt“.