Gefangen in Moria: Die meisten Flüchtlinge müssen dort viele Monate auf ausharren. Doch das Lager auf Lesbos ist zum Zeichen für das Versagen Europas geworden.
Proteste, Unruhen, Brände und Todesfälle – Moria hat immer wieder Schlagzeilen gemacht. Über die Jahre ist das Flüchtlingslager auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos zu einem Symbol der Flüchtlingskrise und für das Versagen der europäischen Staatengemeinschaft geworden. Nachdem es im Winter mehrere Tote im Lager gab, wurde die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge verbessert. Doch bleibt das Grundproblem, dass sie über Monate auf beengtem Raum mit der Ungewissheit leben müssen, wie ihr Asylverfahren ausgeht.
Das Lager in Moria wurde bereits vor der Flüchtlingskrise als Aufnahmelager gegründet. Denn Lesbos lag schon zuvor auf der Migrationsroute nach Europa. Als nach dem Abschluss des EU-Flüchtlingsdeals mit der Türkei im März 2016 die Flüchtlinge nicht länger aufs Festland gelassen wurden, war das Lager bald überfüllt. Im September dann legten Flüchtlinge aus Protest gegen die Lebensbedingungen ein Feuer, das weite Teile der Anlage verwüstete.
Nachdem im November zwei Menschen bei der Explosion einer Gasflasche ums Leben gekommen waren, wurde erneut ein Feuer gelegt. Als im Januar nach ungewöhnlich heftigem Schneefall dann mehrere Zelte unter dem Schnee zusammenbrachen und drei Flüchtlinge vermutlich an Kohlenmonoxidvergiftung starben, war auch den Behörden klar, dass sie etwas tun müssen. Seitdem hat sich vieles in dem Lager verbessert, wie auch Achilleas Tzemos von Ärzte ohne Grenzen bestätigt.
Die Zelte seien weitgehend durch beheizbare Wohncontainer ersetzt worden, es gebe nun ausreichend Warmwasser, und Frauen und Männer würden strikter getrennt, sagt Tzemos. Seine Organisation hatte sich bereits im März 2016 aus Protest gegen den EU-Flüchtlingsdeal aus Moria zurückgezogen und betreibt nun eine eigene Klinik für Flüchtlinge in der Inselhauptstadt Mytilini. Da das lokale Gesundheitssystem schon vor der Ankunft der Flüchtlinge überlastet war, wird die Hilfe dringend benötigt.
Viele Flüchtlinge leiden unter psychischen Problemen
Seitdem die Flüchtlinge nicht nur Tage sondern viele Monate auf Lesbos blieben, seien die medizinischen Bedürfnisse komplexer geworden, sagt Tzemos. Viele Flüchtlinge seien auf der Flucht erkrankt, hätten Misshandlungen oder sexuelle Gewalt erfahren. Viele litten unter psychischen Problemen, die durch die beengten Lebensumstände im Lager und die Ungewissheit über die Zukunft noch verschärft würden.
Auch im Lager gebe es Fälle sexueller Gewalt, sagt Tzemos. Vereinzelt wird auch über Prostitution berichtet.
Auf Lesbos ist Moria ist die erste Anlaufstelle für alle Flüchtlinge, die auf der Insel landen. Bis zum Abschluss ihrer Registrierung dürfen sie das Lager nicht verlassen, erst nach 25 Tagen können sie frei ein- und ausgehen, solange sie auf Lesbos bleiben. Dennoch gleicht das Lager, das von der Regierung betrieben und von Polizei und Militär streng kontrolliert wird, mit seinen vierfachen Reihen Stacheldrahtzaun mehr einem Internierungslager als
einem Heim für Schutzbedürftige.
Seitdem die Zahl der Neuankömmlinge auf Lesbos zurückgegangen ist, ist auch die Zahl der Bewohner in Moria von 6000 auf 2200 gesunken. Die meisten Bewohner sind heute alleinreisende Männer, Familien sind zumeist im Lager von Karatepe untergebracht, das von der örtlichen Gemeinde betrieben wird und deutlich liberaler als Moria ist. Für unbegleitete Jugendliche gibt es weitere Heime, darunter das Projekt Pikpa, das in einem früheren Ferienlager am Strand liegt. Diese Heime zeigen, dass Flüchtlingsbetreuung auch anders als in Moria möglich ist.