Europäische Regionalpolitik als Mittel gegen Euroskeptiker

Rumäniens Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă will die Regional- und Kohäsionspolitik der EU stärken. [European Union / John Thys]

Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den regionalen und lokalen Behörden ist der Schlüssel zur Bekämpfung des Euroskeptizismus, so die rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă am Mittwoch vor dem Europäischen Ausschuss der Regionen.

„Wir durchlaufen eine Zeit, in der wir mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um den europäischen Bürgern zu zeigen, wie viel Nutzen das europäische Projekt für ihr tägliches Leben hat,“ sagte Rumäniens Regierungschefin.

In Zeiten, in denen die Bedenken der Bürger gegenüber der EU zunehmen, „müssen wir gemeinsam und vor allem jetzt zeigen, dass die EU in der Lage ist, Fortschritte zu erzielen und ihren Bürgern konkrete Ergebnisse zu liefern.“

Die Suche nach Antworten auf die EU-Skepsis

Die Angst, dass euroskeptische Parteien bei Europa- und nationalen Parlamentswahlen siegen könnten, verfolgt EU-Offizielle und Proeuropäer seit 15 Jahren.

Die Bekämpfung des Euroskeptizismus erfordere ein demokratischeres und partizipativeres Europa, so Dăncilă, deren Land aktuell den EU-Ratsvorsitz innehat, weiter. Ihrer Ansicht nach könnten vor allem „lokale und regionale Gemeinden und Behörden“ dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Europapolitik müsse „so bürgernah wie möglich“ sein.

Dezentralisierung der EU

Die Annäherung der EU-Politik an die Bürger werde zwangsläufig zu einer Dezentralisierung der Entscheidungsprozesse beitragen. Es brauche daher ein „echtes Bindeglied zwischen den lokalen und regionalen Behörden und den EU-Institutionen“, so die Rumänin vor dem Ausschuss der Regionen (AdR).

„Die Tatsache, dass Sie heute hier sind, zeigt, dass sich die Hauptstädte immer mehr der Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit bewusst sind,“ antwortet dementsprechend auch AdR-Präsident Karl-Heinz Lambertz in Richtung Dăncilă.

Er forderte: „Städte und Regionen müssen jetzt gehört werden.“

Regionen sind das Wohnzimmer im Haus Europa

Sie ist der unbekannteste Wirkungsbereich der EU, und doch ist sie der mächtigste: die Regionalpolitik. Die österreichische Landespolitikerin Johanna Mikl-Leitner über die Rolle der Kohäsionspolitik.

Eines der greifbarsten Ergebnisse des Euroskeptizismus ist der Brexit. Da das Vereinigte Königreich die EU nun bald tatsächlich verlasse, müssen sich die Europäer auf die Folgen vorbereiten, so Dăncilă: „Wir müssen diese Zukunft gemeinsam gestalten“.

Auch das Motto der rumänischen Präsidentschaft („Kohäsion, ein europäischer Wert“) zeige, „wie wichtig es ist, auf die fundamentalen Grundsätze und Grundzüge der EU zurückzugreifen.“

Bedeutung der Kohäsionspolitik

Die Verringerung der Entwicklungsunterschiede in der EU ist eine der Hauptprioritäten der rumänischen Ratspräsidentschaft. Beim gestrigen Treffen lobten die AdR-Mitglieder daher das Engagement Rumäniens für den Erhalt der EU-Kohäsionspolitik.

„Die Zukunft der Kohäsionspolitik ist von großer Bedeutung auf unserer Agenda. Ohne sie wären die lokalen und regionalen Unterschiede noch größer,“ betonte Dăncilă erneut. Die EU, argumentierte sie, brauche eine „starke Kohäsionspolitik als wichtigste Investitionsstrategie“. Die Kohäsion sei zusammen mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein Grundpfeiler der Union.

„Es ist nicht möglich, eine echte Europäische Union ohne eine solide Kohäsionspolitik zu haben,“ stimmte Lambertz zu.

Kohäsionspolitik: Es kommt auf die Ergebnisse an, nicht auf die Kosten

Welche Projekte über die EU-Kohäsionspolitik gefördert werden, orientiert sich hauptsächlich an den Kosten. Entscheidender seien die zu erwartenden Ergebnisse, kritisiert der EU-Rechnungshof.

„Ich freue mich, dass Sie im AdR auf unserer Seite stehen“, freute Dăncilă sich, und versicherte: „Sie haben [mit Rumänien] nicht nur einen Freund, sondern auch einen Partner für das Projekt Kohäsion.“

Knackpunkt MFR

Ebenso wie die GAP ist die Kohäsionspolitik allerdings kostspielig. Um die notwendige Finanzierung der beiden Politikfelder zu gewährleisten, sei der rumänische Vorsitz auch bestrebt, bis spätestens Herbst 2019 eine Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU zu erzielen, kündigte die Ministerpräsidentin an: „Rumänien ist bereit, die Diskussionen schnell voranzutreiben.“

Wichtig sei dabei vor allem, dass realistische und austarierte Optionen auf dem Tisch liegen. „Wir werden ein unparteiischer Vermittler sein und einen Konsens suchen,“ versprach sie.

Städte und Regionen stimmen über EU-Haushalt ab

Diese Woche äußern sich die Vertreter der Städte und Regionen zu den Haushaltsplänen der EU ab 2021. Nach dem Willen der Kommission sollen die Strukturfonds deutlich gekürzt werden.

Rumänien hat zum Anfang des Jahres den Vorsitz der EU übernommen. Zuvor hatte es allerdings Besorgnis über die Rechtsstaatlichkeit und das Justizwesen des Landes gegeben.

Das Thema wurde auch während der gestrigen Debatte mit den Mitgliedern des AdR erneut angesprochen. Guido Wolf (EVP) erinnerte Dăncilă daran, dass die Unabhängigkeit der Justiz der Schlüssel für das reibungslose Funktionieren einer Demokratie sei, und forderte sie auf, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

„Ich werde wiederholen, was ich bereits gesagt habe: In Rumänien gibt es Rechtsstaatlichkeit,“ antwortete die Regierungschefin. Sie versicherte, dass Bürgerrechte und Korruptionsbekämpfung trotz aller internationalen Bedenken für sie eine Priorität seien.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]

Strukturfonds: europaweit erst 11 Prozent der Gelder abgerufen

Viele Milliarden Euro an Fördermitteln könnten die Regionen der EU aus Brüssel anfordern. Doch die Anträge verlaufen stockend, ein großer Teil der Mittel wird nicht abgerufen. Woran liegt das?

EU-Kohäsionspolitik: Wohin gehen die Regional-Gelder?

Wofür werden die Gelder aus den Regionalfonds und sonstige EU-Kohäsionsmittel eigentlich ausgegeben?

OECD-Generalsekretär: "Hunderte Millionen Menschen sind unzufrieden"

Im Interview mit EURACTIV spricht OECD-Generalsekretär Ángel Gurría über den globalen Handelskrieg, Digitalsteuern, den Brexit, Populismus und Politikverdrossenheit.

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren