Das Europäische Parlament hat am Mittwoch eine Entschließung verabschiedet, in der vor Propaganda- und Desinformationskampagnen im Vorfeld der EU-Wahlen gewarnt wird. Dabei werden Russland, China, der Iran und Nordkorea als Hauptgefahrenquellen genannt.
Die mit 489 zu 148 Stimmen (bei 30 Enthaltungen) angenommene Empfehlung verurteilt entschieden die „zunehmenden aggressiven Tätigkeiten“ gegen europäische Länder sowie die östlichen Nachbarländer der EU.
Die EU-Parlamentarier wollen insbesondere „für die Desinformationskampagnen Russlands sensibilisieren“, da diese „die wichtigste Quelle für Desinformation in Europa darstellen“.
Die Resolution war von Anna Fotyga verfasst worden. Die polnische EU-Abgeordnete (Europäische Konservative und Reformer) führt den Vorsitz im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Parlaments.
Desweiteren wird ein stärkerer Fokus der EU auf feindliche Propaganda gefordert, die darauf abziele, „Grundsätze der europäischen Demokratien und die Souveränität aller Länder der Östlichen Partnerschaft [zu] untergraben.“
Kurz zuvor hatte eine groß angelegte Studie der Bürgerrechtsorganisation Avaaz gezeigt, dass Fake News, die während der französischen Gelbwestenproteste zirkulierten, über 105 Millionen Zugriffe auf Facebook erreichten. Frankreich selbst hat etwas mehr als 30 Millionen aktive Facebook-Nutzer.
„Über 100 Millionen Views zu gefälschten Nachrichten. Diese große Zahl zeigt, wie sehr die Gelbwesten mit Desinformationen infiziert sind,“ kommentierte Christoph Schott, Campaign Director bei Avaaz.
Er fügte hinzu, die „Alarmglocken“ sollten jetzt in ganz Europa schrillen, wobei die bevorstehenden EU-Wahlen „der ultimative Stresstest für das Immunsystem unserer Demokratien“ seien.
Task Force gegen Desinformation
Im Jahr 2015 war eine spezielle Task Force gegen russische Desinformationskampagnen als Teil des Europäischen Außendienstes eingerichtet worden.
Die sogenannte East StratCom hat jedoch nur 15 Mitarbeiter. Der Fotyga-Bericht mahnt daher ihre Weiterentwicklung in ein „vollwertiges Referat“ an. Dies würde auch dazu beitragen, das Bewusstsein für die Desinformationskampagnen Russlands zu schärfen.
Seit ihrer Gründung hat die East StratCom Task Force laut eigener Statistik über 5.000 Fälle von Desinformation zu verschiedenen Themen aufgedeckt. Die EU-Abgeordneten fordern nun jedoch, dass eine größere Bandbreite an Informationsquellen sowie Sprachen abgedeckt werden müsse.
Nach der Abstimmung betonte Fotyga, die EU könne „nicht mehr leugnen, dass unsere Institutionen und Gesellschaften von der feindlichen Propaganda des Kremls betroffen sind.“
Die europäische Antwort hänge von „widerstandsfähigen Gesellschaften, transparenten Medien und der Förderung des Pluralismus ab – während wir gleichzeitig Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass wir Zensur vermeiden.“
Wahlkampfregelungen
Bei einer Abstimmung am Dienstag hatte das Europäische Parlament darüber hinaus neue Regeln für den Wahlkampf verabschiedet, um Datenmissbrauch im Vorfeld der Europawahlen Ende Mai zu verhindern.
Die neuen Vorschriften, die mit 586 Stimmen bei 55 Gegenstimmen und 24 Enthaltungen verabschiedet wurden, sehen finanzielle Sanktionen gegen paneuropäische politische Parteien und Stiftungen vor, die wissentlich personenbezogene Daten im Rahmen ihrer Europawahlkämpfe illegal verwenden.
Die Behörde für europäische politische Parteien und Stiftungen wird befugt sein, entsprechende Sanktionen zu verhängen. Dazu gehören Strafzahlungen oder auch der Ausschluss von EU-Fördermitteln.
Danuta Hübner (EVP), Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Parlaments, zeigte sich zufrieden: „Die neuen Bestimmungen zielen darauf ab, den Wahlprozess vor Online-Desinformationskampagnen zu schützen, die auf dem Missbrauch der personenbezogenen Daten der Wähler beruhen. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, dieses Dossier so zügig voranzubringen.“
Die Abgeordneten forderten außerdem, dass Social-Media-Unternehmen, Messaging-Dienste und Suchmaschinenanbieter gesetzlich stärker reguliert werden müssten. Auch in diesem Zusammenhang warnten sie allerdings gleichzeitig vor der Gefahr der Zensur und erklärten, dass Maßnahmen zur Blockade von Social Media-Konten „gesetzlich gerechtfertigt“ sein und transparent in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft durchgeführt werden müssen.
Damit sollen neue Skandale wie der um Facebook und die Beratungsfirma Cambridge Analytica vermieden werden. Cambridge Analytica hatte während des Wahlkampfes zum Brexit-Referendum personenbezogene Daten von Millionen von Facebook-Nutzern ohne deren Einwilligung gesammelt.
[Bearbeitet von Frédéric Simon, Samuel Stolton und Tim Steins]