Als die Coronakrise losbrach, brauchten Europas Regionen rasch Hilfe. Übriggebliebene Regionalgelder konnten schnell und unbürokratisch ausgegeben werden, die Regierungen hatten großen Spielraum. Nun ist klar: Dabei wurden in Deutschland grüne Investments zurückgefahren.
Während einer Krise ist schnelles Handeln erforderlich. So lautete auch der Tenor während der ersten Ausbruchs des Coronavirus im Frühjahr 2020. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen ging es vor allem um Geld: Als die Wirtschaftskreisläufe durch Lockdowns heruntergefahren wurden, brauchen Unternehmen dringend Unterstützung.
Der Großteil der Soforthilfen kam von den nationalen Regierungen; doch auch in Brüssel wurden früh Pläne geschmiedet. Die Ergebnisse sind bekannt: Mehrere Programme wurden ausverhandelt und verabschiedet, allen voran der Wiederaufbaufonds NextGenEU, der 750 Milliarden Euro frisches Geld in die Staaten bringen wird.
Hauptsache schnell
Insbesondere ein – für europäische Verhältnisse relativ unbürokratisches – Instrument zeigte bereits frühzeitig Wirkung: Über CRII (Coronavirus Response Investment Initiative) und den Nachfolger CRII+ wurden Strukturgelder, die ungenutzt auf den nationalen Konten lagen und an die Kommission hätten zurückgezahlt werden müssen, im Mai 2020 freigegeben. Damit hatten die Staaten sehr schnell sehr viel Geld zur Verfügung: Insgesamt 37 Milliarden Euro.
Bei dieser ersten regionalpolitischen Maßnahme gegen das Coronavirus lag der Fokus auf Schnelligkeit, so der grüne EU-Abgeordnete Niklas Nienaß gegenüber EURACTIV Deutschland. Daher habe man den Staaten großen Spielraum eingeräumt: Solange sie sich an die grundlegenden Vorgaben für die Verteilung von Regionalgeldern hielten, konnten sie damit praktisch anstellen, was sie wollten.
Grüne Sorgen
Darüber habe es damals in der grünen Fraktion besorgte Debatten gegeben, erinnert sich Nienaß. Denn es bestand das Risiko, dass die Regierungen bei der Verteilung zu wenig auf den Klimaschutz schauen, und vielmehr ihre schwächelnden Wirtschaften um jeden Preis stützen wollten. „Wir hatten von vornherein gesagt, dass es nicht sinnvoll ist, wenn die Mittel zur Krisenbewältigung nicht in nachhaltige Assets gehen,“ so Nienaß. „Das war unsere Sorge.“
Dennoch entschied sich die grüne Fraktion, CRII zuzustimmen. Man traf eine informelle Einigung mit der Kommission: Bei diesen Schnellhilfen verzichte man auf grüne Vorgaben, dafür werde man darauf bei späteren Hilfsprogrammen verstärkt bestehen. So kam es auch: Sowohl beim Wiederaufbaufonds als auch bei den neuen Common Provision Regulations, die Strukturförderungen regeln, gibt es grüne Konditionalitäten, wie das „Do No Significant Harm“-Prinzip, das etwa direkte Investitionen in fossile Brennstoffe untersagt.
„Das hatten wir befürchtet“
Ein Blick auf die Zahlen für Deutschland zeigt nun, dass sich die Sorge der Grünen teilweise bestätigt hat. Es zeigte sich ein Wechsel der Prioritäten: Ursprünglich hatten die Bundesländer etwa vorgesehen, Strukturgelder in die „Begrünung“ von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) zu stecken. Dieser Posten wurde drastisch gekürzt. Gleichzeitig fließt nun wesentlich mehr Geld in „Allgemeine Produktivitäts-Investments für KMUs“. Möglich wurde das durch die erhöhte Flexibilität von CRII und CRII+.
Nienaß sieht seine Sorgen vom Frühjahr 2020 somit bestätigt: „Das hatten wir befürchtet, es hatte sich schon damals abgezeichnet“, sagt er. Allerdings betont der MEP, man solle nicht vorschnell urteilen: „Produktivitäts-Investments“ könne schließlich auch bedeuten, dass medizinische KMUs gefördert würden, so der Abgeordnete. Das wäre wiederum im Sinne der Krisenbewältigung.
Fokus auf strukturschwache Regionen
Aus Deutschland selbst vernimmt man derweil erfreute Töne. „Dass die Flexibilität der Mittel erhöht wurde, ist grundsätzlich positiv hervorzuheben,“ erklärte beispielsweise Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und aktueller Präsident des deutschen Bundesrats, bei einem Treffen des REGI-Ausschusses im EU-Parlament.
Bei der Verteilung der CRII-Gelder habe man darauf geachtet, strukturschwache Regionen in Deutschland, in denen die Krise stärker eingeschlagen sei, besonders zu unterstützen. Das waren etwa Orte mit starkem wirtschaftlichen Fokus auf Gastronomie und Tourismus.
„Es war die richtige Reaktion im Umgang mit der Pandemie,“ so Haseloff.