Das Vereinigte Königreich hat in einem neuen Regierungspapier seine Forderung nach einem gesonderten Deal über Finanzdienstleistungen nach dem Brexit wiederholt. Dieser solle weit über den derzeitigen Abkommens-Standard der EU mit Drittländern hinausgehen. Die britische Regierung warnte außerdem erneut davor, dass ein „harter Brexit“ auch der EU schaden würde.
Im am gestrigen Montag veröffentlichten Papier wird betont, eine Übernahme der EU-Regelungen („ruletaking“) für den Finanzsektor könne „einfach nicht funktionieren“.
Die Regierung ist offensichtlich der Ansicht, dass die City of London als Europas führendes Finanzdienstleistungszentrum eine starke britische Position in den Brexit-Gesprächen sichert. Dementsprechend wird im Papier erneut gewarnt, auch die EU-Wirtschaft werde betroffen sein, wenn die City unter dem Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU leidet.
Das Papier erinnert außerdem daran, dass in Großbritannien ansässige Banken rund die Hälfte der von EU-Unternehmen emittierten Anleihen und Aktien zeichnen, dass 1,4 Billionen europäische Vermögenswerte in Großbritannien verwaltet werden und dass in Großbritannien mehr als doppelt so viele Euro gehandelt werden wie in der gesamten Eurozone.
Großbritannien will Japan-Deal
Die Standardvereinbarungen der EU über „regulatorische Äquivalenz“ bei Finanzdienstleistungen würde nicht funktionieren, warnen die Briten. Mit den bestehenden Regelungen werde der Europäischen Kommission die Möglichkeit gegeben, diese Äquivalenz sehr kurzfristig aufzuheben.
Stattdessen solle eine „verbesserte Gleichwertigkeit“ angestrebt werden, die über die Regelungen hinausgeht, die die EU bereits mit anderen Drittstaaten hat.
Konkret möchte das Vereinigte Königreich, dass sein künftiges Abkommen mit der EU über Finanzdienstleistungen ähnlich dem neuen EU-Japan-Handelspakt ausgestaltet wird. Das würde den Zugang zu den Märkten des jeweils anderen sowie ein bilaterales Abkommen über die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen, den Datenaustausch und die Beilegung von Streitigkeiten bedeuten.
Die Verhandlungsführer der EU sind jedoch weiterhin gegen eine „Sonderbehandlung“ für Finanzdienstleistungen in den Brexit-Verhandlungen. Der Chefunterhändler der Europäischen Kommission, Michel Barnier, hat bereits deutlich gewarnt, der Sektor werde höchstwahrscheinlich nicht in ein zukünftiges Handelsabkommen einbezogen, wenn das Vereinigte Königreich darauf besteht, den Binnenmarkt für andere Güter und Dienstleistungen zu verlassen.
Regierung will Brexit-Hardliner beruhigen
Gleichzeitig hieß es in einem gesonderten Regierungspapier über „fairen und offenen Wettbewerb“, das ebenfalls am Montag veröffentlicht wurde, das Vereinigte Königreich wolle sich zu einer „laufenden Harmonisierung“ mit den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen und zu einer Reihe von „Nichtregressionsverpflichtungen“ in den Bereichen Umwelt- sowie Sozial- und Beschäftigungsstandards verpflichten.
Es scheint also, dass das Vereinigte Königreich zumindest im Bereich Beihilfepolitik ein „ruletaker“ bleiben und sich verpflichten will, sich an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu staatlichen Beihilfen zu halten und künftige Revisionen zu entsprechenden EU-Regelungen dann auch in britisches Recht umzusetzen.
Der Schritt zur Verankerung von EU-Umwelt-, Sozial- und Beschäftigungsvorschriften dürfte vor allem die Befürworter eines harten Brexits im rechten Flügel der konservativen Partei von Premierministerin Theresa May enttäuschen: Sie hoffen, den EU-Ausstieg Großbritanniens nutzen zu können, um Gesetze aufzuheben, die sie als übermäßig belastend für Unternehmen und die Industrie ansehen.
Regierungsbeamte haben allerdings bereits versucht, diese Horror-Vorstellung der Hardliner zu zerstreuen: Die Regierung von Theresa May werde den Brexit nicht „als Chance für ein Feuerwerk an neuen Vorschriften“ nutzen. Ein Beamter betonte: „Nichts wäre weiter von dem entfernt, worum es ihr [der Premierministerin] geht.”
Er versprach: „Wir sind bereit, viel weiter zu gehen, als es in sonstigen Freihandelsabkommen üblich ist. Das sollte auch die EU dazu motivieren, großzügigere Gegenangebote zu machen.“