Am gestrigen Montag unterrichtete Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier die Vertreter der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten über den Stand der Verhandlungen. Die britische Regierung müsse weitere Zugeständnisse zu machen, fordern die Europa-Minister. In der besonders kompizierten Nordirlandfrage gab es zuletzt Bewegung.
Die Verhandlungen laufen unter Hochdruck. Bis in die Morgenstunden wurde am Montag verhandelt, verlautbarten britische Regierungskreise. Damit es vor dem Stichtag am 29. März 2019 einen Vertrag über die Austrittsmodalitäten geben kann, müssen noch einige Fragen geklärt werden. Die Uhr tickt.
Zwar sieht Artikel 50 der EU-Verträge, nach dem das Austrittsverfahren läuft, ausdrücklich die Möglichkeit einer Verlängerung des Verhandlungszeitraums vor. Dieser Option erteilte zumindest Staatsminister Michael Roth, der Deutschland bei der Ratssitzung in Brüssel vertrat, eine Absage. Er sehe nicht, wie das funktionieren solle. Der Zeitrahmen sei eng gesteckt und man müsse beachten, dass auch das britische und das EU-Parlament zustimmen müssten.
Dabei ist der Austrittsvertrag zu großen Teilen längst ausverhandelt. Lediglich die Nordirlandfrage ist noch ungelöst. Doch auch hier gab es zuletzt Bewegung. So sind sich beide Seiten im Prinzip einig, dass die Austrittsvereinbarung einen so genannten backstop enthalten soll – eine Übergangslösung, durch die eine harte Grenze in Irland vermieden wird.
Doch wie dieser backstop genau aussehen soll, darüber gibt es keine Einigkeit. Die EU will, dass Nordirland solange in der Zollunion bleibt, bis es eine endgültige Lösung gefunden ist. Die britische Regierung will hingegen, dass während der etwaigen backstop-Zeit Großbritannien als Ganzes in der Zollunion bleibt, um Nordirland nicht wirtschaftlich vom Vereinten Königreich abzuspalten. Außerdem will London diese Phase von vornherein zeitlich begrenzen. Damit ist Brüssel jedoch nicht einverstanden, da eine zeitliche Begrenzung einer funktionierenden Auffanglösung zuwiderlaufe.
Die Forderung Richtung London, Zugeständnisse zu machen, paarten die Europaminister mit einer erneuten Demonstration des Zusammenhalts. „In der finalen Verhandlungsphase zeigten die Minister heute einmal mehr, dass wir die Einigkeit der EU-27 aufrechterhalten werden. Unser Vertrauen in den Verhandlungführer haben wir erneut bekräftigt“, sagte etwa Österreichs EU-Minister Gernot Blümel, der die Sitzung leitete.
Ein weiteres aktuelles Thema der Brexit-Verhandlungen sind die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Während London gerne Austritt und zukünftige Beziehungen gemeinsam verhandelt hätte, beharrt Brüssel weiterhin darauf, dass Vereinbarungen, die Zukunft betreffend, erst dann getroffen werden können, wenn Großbritannien ein Drittstaat ist. Allerdings stellten die Minister in Aussicht, dass mit dem Austrittsabkommen auch eine politische Willensbekundung bezüglich der gemeinsamen Zukunft einhergehen könne.
Es gibt also nach wie vor einiges zu klären, bis das Austrittsabkommen unterschriftsreif ist. Weiterhin gilt, wie man in Brüssel nicht müde wird zu betonen, dass nichts vereinbart ist, bis nicht alles vereinbart ist. Ohne Lösung für die Nordirlandfrage sind also auch die bereits erreichten Kompromisse nichts wert. Gänzlich begraben will jedoch noch niemand die Hoffnung, dass der Austritt wie angedacht noch im November bei einem Sondergipfel unter Dach und Fach gebracht wird.