Mehrere EU-Staaten drängen die Europäische Kommission, eine Strategie zu entwickeln, um der „Desinformation im Zusammenhang mit 5G-Telekommunikationsnetzen“ entgegenzuwirken. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass der Block die eigentlich rechtsverbindlichen Ziele für die Einführung der neuen Technologie verfehlen könnte.
In einem Brief, der heute an die EU-Exekutive geschickt und von fünfzehn EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde, wird die Kommission aufgefordert, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, um der „sich häufenden Falschinformationen“ beim Thema 5G in Europa entgegenzuwirken. Diese hatten bereits zu zahlreichen Brandanschlägen auf Telefonmasten geführt.
Der Brief wurde von den Führungen Österreichs, Bulgariens, Kroatiens, der Tschechischen Republik, Zyperns, Estlands, Finnlands, Griechenlands, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, Polens, Portugals, der Slowakei und Schwedens unterzeichnet.
Telekom-Konzerne haben zwischen Januar und Juni rund 140 Anschläge auf Infrastruktur in ganz Europa gezählt. Die Mehrzahl der Attacken ereignete sich dabei im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden.
„Wir sind Zeugen zunehmender Aktivitäten einer Anti-5G-Bewegung in der gesamten Europäischen Union,“ heißt es in dem Brief, der heute an die Kommissionsvizepräsidentinnen Margrethe Vestager und Věra Jourova sowie an Binnenmarktkommissar Thierry Breton geschickt wurde.
Weiter schreiben die 15 Regierungsvertreter: „Wir möchten betonen, dass Vandalismusakte gegen die Telekommunikationsinfrastruktur und die eskalierende Desinformation über elektromagnetische Felder (EMF) und 5G nicht nur eine Bedrohung für die Wirtschaft der betroffenen Mitgliedsstaaten darstellen, sondern auch die Chancen der Europäischen Union schmälern, ihre ehrgeizigen 5G-Ziele zu erreichen.“
Die EU-Exekutive solle daher „Maßnahmen ergreifen, die dieser Desinformation entgegenwirken“. Diesbezüglich dürfte die Durchführung einer „Sensibilisierungskampagne“ in Bezug auf elektromagnetische Felder und 5G-Exposition helfen. So könnten die Bürgerinnen und Bürger möglicherweise davon überzeugt werden, den Einsatz solcher Technologien im Hinblick auf die festgelegten EU-Ziele zu unterstützen, wird im Brief hinzugefügt.
Ziele in Gefahr
In der EU-Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation von 2018 hatte sich die Union verpflichtet, die Einführung von 5G-Netzwerken zu fördern. Eigentlich soll die Verfügbarkeit von 5G-Funkfrequenzen noch vor Ende 2020 gewährleistet werden.
Darüber hinaus verpflichteten sich die Staaten im Rahmen des 5G-Aktionsplans 2016 zur Weiterentwicklung ihrer Telekommunikationsinfrastrukturen. Zu den Zielen gehörte ebenfalls die Einführung von 5G-Diensten in allen Mitgliedsstaaten in mindestens einer Großstadt bis Ende 2020.
Die Erreichung dieser Ziele werden jedoch durch eine Reihe von Rückschlägen erschwert: Zusätzlich zu den Brandanschlägen verlangsamte sich die Einführung durch Unterbrechungen der Versorgungsketten. Grund dafür sind neben der Coronavirus-Pandemie die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China.
Die 15 EU-Staaten warnen in ihrem Brief weiter, das „Misstrauen“ aufgrund der 5G-bezogennen Desinformation sei besonders schädlich für diese aktuellen Ziele. Die Ängste – und Verschwörungserzählungen – könnten „negative Auswirkungen auf den Ausbau der Infrastruktur von Mobilfunknetzen (Masten und Antennen) sowie der 5G-Infrastruktur für drahtlose Zugangspunkte haben“.
Während die Kommission ihrerseits bereits erklärt hat, dass es wahrscheinlich zu Verzögerungen bei der Erreichung der Vorgaben kommen wird, scheint man in Brüssel die Ziele auch nicht komplett abschreiben zu wollen.
„Bis Ende des Jahres wird es in allen Mitgliedsstaaten eine gesetzliche Verpflichtung geben, Betreiber für 5G-Pionierfrequenzen zuzuweisen,“ bekräftigte ein EU-Beamter erst kürzlich gegenüber EURACTIV.com.
Er machte deutlich: „Wenn also ein Mitgliedsstaat diese 5G-Frequenzen nicht zuteilt, verstößt er gegen EU-Recht.“
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]