Vorwurf des Interessenskonflikts bei Tabakbekämpfung der EU

Die Ausschreibung in Höhe von 3 Millionen Euro wird von der Europäischen Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales (HaDEA) für Forschungs- und Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Eindämmung des Tabakkonsums und des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung ausgeschrieben. Er zielt unter anderem darauf ab, bis 2040 eine "tabakfreie Generation" zu schaffen, in der weniger als 5 Prozent der Bevölkerung Tabak konsumieren. [Shutterstock/drpnncpptak]

Bei der 3 Millionen Euro schwere Ausschreibung für die Umsetzung der EU-Strategie zur Eindämmung des Tabakkonsums steht der Vorwurf des Interessenskonflikts im Raum. Denn es gab für die Ausschreibung lediglich einen einzigen Bewerber. 

Die Ausschreibung in Höhe von 3 Millionen Euro wird von der Europäischen Agentur für Gesundheit und Digitales (HaDEA) für Forschungs- und Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Eindämmung des Tabakkonsums und des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung ausgeschrieben. Er zielt unter anderem darauf ab, bis 2040 eine „tabakfreie Generation“ zu schaffen, in der weniger als 5 Prozent der Bevölkerung Tabak konsumieren.

Der einzige Kandidat für die Ausschreibung, die nach Angaben eines Kommissionsbeamten nur auf Twitter und LinkedIn beworben wurde, war ein Konsortium, das sich aus dem European Network for Smoking Prevention (ENSP), der Universität von Kreta und Open Evidence zusammensetzt.

Das Fehlen anderer Gebote ist bei dieser Art von Ausschreibungen unüblich und hat bei den Beteiligten für Aufsehen gesorgt.

Das Konsortium wird einen Beitrag zur Entwicklung der Tabakpolitik der Kommission leisten, indem es rechtliche, statistische, wirtschaftliche und gesundheitliche Bewertungen von Tabak und neuartigen Tabakerzeugnissen liefert.

ENSP ist ein wichtiger Akteur, der sich für eine kohärente Regulierung von (neuartigen) Tabakerzeugnissen in der EU einsetzt. Mit einem Beitrag in Höhe von 9.000 Euro ist ENSP auch ein wichtiger Partner in einer Europäischen Bürgerinitiative. Sie sieht vor, den Verkauf von Tabak- und Nikotinprodukten an Bürger, die nach 2010 geboren wurden, zu unterbinden und bis 2030 ein tabakfreies Umfeld zu schaffen.

Interessenkonflikt?

Der Interessenkonflikt ist hier „ziemlich offensichtlich“, sagte die konservative Europaabgeordnete Sara Skyttedal (EVP) gegenüber EURACTIV und bekräftigte, dass ENSP eine strengere Regulierung von edlen Tabakprodukten beeinflussen und damit den Umstieg der Raucher von Zigaretten auf gesündere Produkte behindern könnte.

Am 17. April schickte Skyttedal eine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission zum Thema Interessenkonflikt bei der Tabakkontrolle. Sie hat noch keine Antwort erhalten.

„Wie kann man von Gruppen, die klare Positionen gegen neue Nikotinprodukte eingenommen haben und öffentlich Lobbyarbeit für die Einschränkung dieser Produkte betreiben, erwarten, dass sie eine faire und unvoreingenommene Bewertung der Möglichkeiten abgeben, die diese Produkte bieten, um die Schäden des Rauchens zu verringern?“, fügte sie hinzu.

Skyttedal ist der Ansicht, dass die Unterstützung der Raucher beim Umstieg von der Zigarette – sowie die Senkung der tabakbedingten Sterblichkeitsrate – „verpasst“ wurde, da der Prozess von Personen geleitet wird, die eine feste Haltung gegen Alternativen zum Rauchen einnehmen. Dies würde den Fortschritt des EU-Plans zur Krebsbekämpfung gefährden.

Außerdem hätte die Kommission in diesem Fall ihre Voreingenommenheit unter Beweis gestellt, so Skyttedal.

Damit die Kommission sicherstellen kann, dass es unterschiedliche Ansichten über die Regulierung der Tabakkontrolle gibt, sollte sie alle Seiten in dieser Debatte berücksichtigen. Insbesondere muss sie die Stimmen von Menschen berücksichtigen, die versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, indem sie Alternativen nutzen, so Skyttedal. Sie fügte hinzu, dass auch Länder als Vobilder dienen können, die es geschafft haben, rauchfrei zu werden, wie etwa Schweden.

ENSP: Interessenkonflikt nicht zutreffend

Das ENSP erklärt seinerseits, dass es in diesem Fall keinen Interessenkonflikt gibt.

„Die Rolle des ENSP besteht darin, Fachwissen zu technischen und wissenschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit der Tabakkontrolle bereitzustellen. Weder das ENSP noch irgendein anderes Mitglied des Konsortiums ist für die Gestaltung der Politik zuständig“, sagte ENSP-Generalsekretär Cornel Radu-Loghin gegenüber EURACTIV.

Außerdem sei das „Konzept“ des Interessenkonflikts nicht auf eine gemeinnützige Organisation anwendbar, die „keinerlei wirtschaftliches Interesse am Tabakgeschäft“ habe, sagte Radu-Loghin und fügte hinzu, dass das ENSP der Kommission „weltweit geschätzte Experten mit hervorragendem akademischen Hintergrund und Erfahrung“ zur Verfügung stellen könne.

„Wir sind stolz darauf, dass wir zu fast allen aktuellen Verordnungen über Tabak- und Nikotinprodukte beigetragen haben“, sagte Radu-Loghin und fügte hinzu, dass sie sich auf strengere Vorschriften gegen „tödliche und süchtig machende Produkte“ freuen.

Laut den Ausschreibungsunterlagen zielt der Vertrag darauf ab, der Kommission technische, wissenschaftliche und juristische Unterstützung in Bezug auf ihre Tabakkontrollpolitik und -gesetzgebung zu bieten, um „deren Qualität, Effizienz und Wirkung zu stärken“, so Radu-Loghin gegenüber EURACTIV.

Die Haltung der Kommission

Vonseiten der EU-Kommission hieß es, dass es eine „entscheidende Priorität“ solche Interessenskonflikte zu vermeiden. Die Kommission stelle hierbei eine transparente und offene Umsetzung und Entwicklung der Politik im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung sicher, sagte ein Sprecher gegenüber EURACTIV.

„Dieser völlig transparente Bewertungsprozess ermöglicht es allen Interessengruppen, Verbrauchern und der Öffentlichkeit, Beweise zu liefern, ihre Meinung zu den EU-Vorschriften zur Tabakkontrolle zu äußern und sich an der Politikgestaltung zu beteiligen“, sagte der Kommissionsbeamte.

Die ENSP sei zudem verpflichtet, jeden Interessenkonflikt, der sich in Zukunft ergeben könnte, zu melden.

Neuartige Produkte wie erhitzter Tabak, elektronische Zigaretten, Nikotinbeutel oder Snus haben sich als Alternative zum traditionellen Rauchen entwickelt, das in Europa jährlich 700.000 Todesfälle verursacht.

Im Gegensatz zu Skyttedal sagte die italienische Europaabgeordnete Alessandra Moretti im vergangenen Oktober gegenüber EURACTIV, dass Wissenschaftler „mit Sicherheit wissen“, dass neuartige alternative Tabak- und Nikotinprodukte schädlich sind.

„Wenn wir die langfristigen Auswirkungen nicht mit Sicherheit kennen, können wir nicht feststellen, dass sie unschädlich sind“, sagte sie gegenüber EURACTIV Italien.

„Bis jetzt wissen wir mit Sicherheit, dass sie schädlich sind. Die mittel- bis langfristigen Auswirkungen werden wir kurzfristig haben, und ich fürchte leider, dass wir wissenschaftliche Beweise haben werden, die ihre Schädlichkeit für die Gesundheit bestätigen“, warnte Moretti.

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