Der neu gewählten Vorsitzenden der größten Oppositionspartei Syriza (EU-Linke), plant die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe voranzutreiben. Für die konservative Regierung ist dies ein Weckruf, ihre LGBTIQ-Agenda zu beschleunigen.
Stefanos Kasselakis wurde am 24. September an die Spitze der linken Syriza-Partei gewählt und löste damit Schockwellen in der griechischen Politik aus. Er ist der erste offen schwule Parteichef Griechenlands.
Vor den Wahlen erklärte Kasselakis, er wolle die gleichgeschlechtliche Ehe legalisieren, und kritisierte gleichzeitig den konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis (EVP) dafür, dass er eine solche Maßnahme verzögert habe.
„Wenn es um Menschenrechte geht, […] gibt es das Argument nicht, dass alles zu seiner Zeit kommt“, sagte er und warf der konservativen Regierung vor, das Gesetz vier Jahre lang nicht vorangetrieben zu haben.
Ein „Weckruf“ für Konservative
Kurz nach seiner Wiederwahl im Juli 2023 hat Mitsotakis in einem Interview mit Bloomberg seine Absicht geäußert, die gleichgeschlechtliche Ehe zu legalisieren. Zuvor hatte er 2021 einen Ausschuss eingerichtet, der eine nationale LGBTQI+-Strategie erarbeiten sollte.
Der griechische Ausschuss wurde nach dem Start der LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2020-2025 der Europäischen Kommission eingerichtet. Mit dieser Strategie werden die EU-Länder aufgefordert, Pläne zur Beendigung der Diskriminierung zu entwickeln.
„Die gleichgeschlechtliche Ehe wird irgendwann kommen, und sie ist Teil unserer Strategie“, sagte Mitsotakis im vergangenen Sommer und fügte hinzu, dass die „griechische Gesellschaft viel reifer und bereit ist.“
Euractivs Verständnis nach hat der griechische Premierminister gezögert, einen Schritt zu diesem Thema zu unternehmen, weil er eine heftige Reaktion der rechtsextremen Fraktion seiner Partei befürchtet.
Zwei Tage nach der Wahl von Kasselakis an die Spitze der griechischen Linken enthüllte Alexis Patoulis, ein enger Berater von Mitsotakis, zum ersten Mal, dass er mit seinem Partner im Ausland verheiratet ist. Er sagte, die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe werde im griechischen Parlament zur Abstimmung kommen.
„Der Premierminister sagte, er glaube an die Gleichstellung der Ehe und werde dies dem Parlament vorlegen. Der Zeitpunkt ist natürlich seine Entscheidung, aber ich denke, die Gesellschaft hat uns gezeigt, dass dies nicht ihr wichtigstes Anliegen ist“, sagte Patoulis.
Die liberale Agenda von Kasselakis hat in der konservativen Regierungspartei für Aufsehen gesorgt, da Mitsotakis eignetlich den liberalen Raum im politischen Spektrum Griechenlands eingenommen hat.
Aus Angst vor einem Verlust liberaler Stimmen an die Opposition wird davon ausgegangen, dass der Zeitplan für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Griechenland nun beschleunigt werden soll. Die Haltung der ultrakonservativen Abgeordneten der Regierungspartei bleibt jedoch abzuwarten.
Griechenlands LGBTIQ+ Position in Europa
Trotz der Verzögerungen bei der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen verbessert Griechenland stetig seinen Schutz von LGBTI+-Rechten und klettert im Jahresbericht 2023 der International Lesbian and Gay Association (ILGA) um vier Positionen auf Platz 13.
Laut dem ILGA-Tracker für LGBTIQ+-Rechte erfüllt Griechenland derzeit 57 Prozent der detaillierten Liste von Rechten und Freiheiten, die zur Berechnung der Leistung des Landes bewertet wurden. Besonders unzureichend ist die Situation in den Bereichen Familien- und Asylrecht.
Sollte Kasselakis in Zukunft Ministerpräsident Griechenlands werden, würde er einer kurzen Liste von homosexuellen europäischen Staatsoberhäuptern folgen, darunter Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel, Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs, Irlands Taoiseach Leo Varadkar und Serbiens Premierministerin Ana Brnabić.
[Bearbeitet von Kjeld Neubert]