Der ehemalige französische EU-Kommissar Thierry Breton äußerte seine Besorgnis über den Verlust des französischen Einflusses innerhalb der EU. Deutschland sprach er eine führende Rolle zu, die er jedoch kritisch sieht.
Laut Thierry Breton sei Frankreichs Stimme auf EU-Ebene schwächer geworden, während die Entscheidungen der EU-Kommission würden zunehmend von Deutschland und der Europäischen Volkspartei (EVP) beeinflusst.
„Das ist nicht die Kommission, die ich kannte. Heute fürchte ich, dass die [Kommission] zu sehr im Dienste Deutschlands und der EVP steht“, erklärte er in einem Interview mit Le Monde am Sonntag (29. September).
Breton trat am 16. September von seinem Amt als EU-Kommissar zurück. Nach dieser Ankündigung ernannte der französische Präsident Emmanuel Macron Stéphane Séjourné, um Breton im Team der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre zweite Amtszeit zu ersetzen.
„Die Staats- und Regierungschefs haben Deutschland für zehn Jahre die Präsidentschaft der Kommission überlassen. Durch die Vorherrschaft der EVP ist das Europäische Parlament nie weit von der deutschen Politik entfernt. Wir müssen sicherstellen, dass die Kommission ihre ausgleichende Rolle spielt und es zu keinem Abdriften kommt“, fügte der ehemalige EU-Kommissar hinzu.
Breton hob außerdem die Notwendigkeit hervor, dass Frankreich wieder eine starke Position in den europäischen Diskussionen einnimmt. Seiner Meinung nach würden französische Interessen nicht mehr „ausreichend berücksichtigt“.
„Frankreichs Stimme hat in Europa weniger Gewicht, und das ist bedauerlich“, stellte er fest. „Als Land haben wir in Bereichen Boden verloren, die im Zentrum unserer Prioritäten stehen sollten: digitale Souveränität, Energiewende und Verteidigung.“
„Frankreich muss seine Führungsposition zurückgewinnen, insbesondere bei den Verhandlungen über die Energiewende und die digitale Politik. Ohne dies werden wir marginalisiert“, betonte er.
Breton, der sich lange für ein souveränes Europa im Bereich der digitalen Technologien und der Industrie eingesetzt hat, äußerte auch Kritik an der Richtung, die die neue Kommission, gerade in diesen Bereichen, eingeschlagen hat.
„Ich habe immer eine souveräne und unabhängige EU verteidigt, aber ich befürchte, dass diese Vision nicht mehr im Mittelpunkt der Prioritäten des neuen Teams steht“, warnte er abschließend.