Die ungarische Regierung hat angekündigt, man wolle bestimmte in den EU Datenschutzgesetzen festgelegte Maßnahmen aussetzen, bis der Ausnahmezustand aufgehoben ist.
Die neuen Maßnahmen, die bereits am Montag angekündigt wurden, beinhalten die Aussetzung der Rechte auf Zugang zu und Löschung persönlicher Daten.
Personen, die eine Beschwerde einreichen oder ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf wahrnehmen wollen, müssen sich für den Verfahrensbeginn ebenfalls gedulden, bis die Regierung das Ende des Ausnahmezustands verkündet hat.
Das Dekret lockert auch die Informationspflicht der Behörden über die Erhebung personenbezogener Daten. Dieser Pflicht muss nicht nachgekommen werden, wenn bestimmte Behörden mit dem Ziel handeln, „Coronavirus-Fälle zu verhindern, zu erkennen, zu erforschen sowie die weitere Verbreitung zu verhindern“.
In diesem Sinne sollen strenge Informationspflichten ersetzt werden durch „allgemeine Informationen“ über „Zwecke, Rechtsgrundlagen und Umfang“ der Verarbeitung, die elektronisch zugänglich gemacht werden.
In Reaktion darauf kündigte die Oppositionspolitikerin Bernadett Szél an, sie werde sich an das ungarische Verfassungsgericht wenden. „Eine Einschränkung der Datenschutzrechte ist unnötig und unverhältnismäßig und hilft darüber hinaus nicht, sondern behindert vielmehr den Kampf gegen die Epidemie,“ so Szél in einer Erklärung am Dienstag. In Zeiten einer Pandemie bestehe „ein grundlegendes öffentliches Interesse an einer raschen Bereitstellung von Informationen“.
Szél fügte hinzu, mit der Verordnung könne die Regierung „unter dem Vorwand der Epidemiesituation auf alle unsere persönlichen Daten zugreifen – und die Informationspflicht über die Verarbeitung dieser Daten wird ausgesetzt.“
Mit dem Erlass werden darüber hinaus einige Bestimmungen des ungarischen Gesetzes über die Informationsfreiheit ausgesetzt und geändert. Dadurch haben die Behörden mehr Zeit, um auf Anfragen zu reagieren. Kritiker warnen, dies könne zu einer dreimonatigen Wartezeit für Menschen führen, die versuchen, auf eigentlich öffentliche Daten zuzugreifen.
„Aufgrund der Undurchsichtigkeit der Entscheidungsfindung [der ungarischen Führung] und des Verhältnisses der Regierung zur Öffentlichkeit musste der Zugang zu diesen Daten bereits erkämpft werden,“ erinnert Szél. Jetzt solle „die Vorenthaltung von Informationen, die im öffentlichen Interesse sind, einfach legalisiert werden“.
Die meisten angekündigten Änderungen des ungarischen Informationsfreiheitsgesetzes sowie der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sollen voraussichtlich bis zum Ende des aktuellen Ausnahmezustands in Kraft bleiben. Eine Entscheidung über dieses Ende obliegt nach aktuellem Rechtsstand ausschließlich der ungarischen Regierung.
[Bearbeitet von Samuel Stolton, Zoran Radosavljevic und Tim Steins]