Das EU-Parlament wird am Donnerstag wohl einen Berichtsentwurf verabschieden, der die EU und die nationalen Behörden aufruft, faire Arbeitsbedingungen und rechtliche Mindeststandards für Arbeiter im Sektor der kollaborativen Wirtschaft zu sichern.
Im Entwurfstext wird bedauert, dass die letztjährigen Richtlinien der Kommission zur „kollaborativen Wirtschaft” nicht genügend Klarheit „in Bezug auf die Anwendbarkeit der geltenden EU-Rechtsvorschriften“ gebracht habe. Die Mitgliedsstaaten sollten daher für mehr rechtliche Klarheit sorgen und Start-ups, die auf solche Modelle bauen, „in einer Art und Weise regulieren, die eher erleichtert und fördert statt einschränkt.“
Der Berichterstatter Nicola Danti, Mitglied der italienischen Partito Democratico und der S&D-Fraktion im EP, sagte gegenüber EURACTIV.com: „Wir müssen auf eine gemeinsame Strategie drängen. Diese muss einen fairen Arbeitsmarkt und einen gemeinsamen Grundstock an rechtlichen und sozial Prinzipien ermöglichen.”
Die sogenannte kollaborative Wirtschaft, auch bekannt unter der Bezeichnung Sharing-Ökonomie/Sharing Economy, basiert auf Peer-to-Peer-Transaktionen, meistens über Online-Plattformen. Die Bruttoerträge des Sektors lagen 2015 innerhalb der EU bei geschätzten 28 Milliarden Euro. Die Kommission erwartet, dass die Branche in den nächsten Jahren zwischen 160 und 572 Milliarden Euro beisteuern wird.
Europa versucht schon länger, mit diesen neuen Akteuren, die traditionelle Wirtschaftsbereiche wie das Gastgewerbe und den Transport durcheinandergewirbelt haben, zurechtzukommen. Momentan gibt es größtenteils nur lokale Regelungen. Die MEPs äußerten ihre Bedenken gegenüber diesem rechtlichen Wirrwarr, sowohl in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung der Firmen als auch auf den Verbraucherschutz. Daher müssten „doppelter Aufwand, Fragmentierung und anderen Hürden, die eine grenzüberschreitende Entwicklung behindern“, abgebaut werden.
Fortschritt im Bereich Haftung
Beim Thema Haftung von Sharing-Plattformen wollen die MEPs weiter gehen. Sie fordern mehr Klarheit – und zwar „so schnell wie möglich“ – um „rücksichtsvolles Verhalten, Transparenz, Rechtssicherheit und somit auch Konsumentenvertrauen“ zu fördern. „Wir fordern eine ambitionierte europäische Strategie, die den Weg für ein harmonisiertes und dynamisches „Ökosystem“ mit spezifischen Regeln und allgemeinen Grundsätzen bietet, sodass eine Fragmentierung des Binnenmarktes verhindert wird“, so Danti.
Ende diesen Jahres soll die Juncker-Kommission neue Richtlinien zu den Themen Haftung und Unterstützung für Firmen, die freiwillige Maßnahmen zum Entfernen von illegalen Inhalten ergreifen, vorstellen.
Laut einer von der Kommission am vergangenen Montag vorgestellten Studie haben 55 Prozent der Europäer bereits mindestens einmal schlechte Erfahrungen mit einer Firma aus der kollaborativen Wirtschaft gemacht. Sechs von zehn konnten nicht sicher darlegen, welche der beiden Seiten die Schuld an dem Problem hatte, und sie waren sich nicht der Verantwortung der Firma oder ihrem Recht auf Entschädigung bewusst.
Danti erklärte, kollaborative Platformen könnten ihre Transparenz durch Bewertungs- und Kommentarfunktionen verbessern, verlässliche Image-Kriterien erstellen, Garantien einführen und sichere Zahlungsmethoden entwickeln.
Prekäre Jobs
Der Berichtsentwurf malt ein positives Bild von der Sharing Economy, die einen „wichtigen Beitrag dazu leistet, das Wirtschaftssystem nicht nur effizienter, sondern auch sozial- und umweltverträglicher werden zu lassen, was eine bessere Nutzung von Ressourcen und Vermögenswerten ermöglicht, deren Auslastung anderenfalls nicht gegeben wäre.“ Allerdings zeigten sich die Parlamentarier auch besorgt über die prekäre Situation, beispielsweise von Auto- oder Fahrradfahrern, die Essen liefern. Diese seien weitgehend ungeschützt und um einige ihrer Grundrechte beraubt.
Der Entwurf räumt ein, dass die boomende Sharing Economy zwar für junge Menschen und andere marginalisierte Gruppen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt böte, jedoch müsse die „Flexibilität des Arbeitsmarktes einerseits“ mit der „wirtschaftlichen und sozialen Absicherung der Arbeitskräfte andererseits“ ausgeglichen werden.
Insbesondere pochten die MEPs auf Arbeitnehmerrechte wie das Streikrecht und Tarifverhandlungen. Außerdem solle die tatsächliche „Faktenlage“ ausschlaggebend dafür sein, ob Arbeiter als Angestellte oder Selbstständige eingestuft werden. Firmen wie Uber lassen ihre Mitarbeiter als Selbstständige arbeiten, um so Kosten für Sozialleistungen zu sparen.
In einem Präzedenzfall hatte ein britisches Gericht letzten Oktober entschieden, Uber müsse seine Arbeiter als Angestellte einstufen und ihnen somit eine existenzsichernde Entlohnung sowie Urlaubsgeld zugestehen.
Da viele Regeln für die kollaborative Wirtschaft nur auf nationaler Ebene existieren, will das Parlament bestehende EU-Gesetze ausweiten, um so einen „effektiven Arbeitnehmerschutz“ im digitalen Zeitalter zu gewährleisten.
Grundrechte
Der Entwurf beschäftigt sich auch mit weiteren Grundrechten der Arbeitnehmer, beispielsweise der maximalen Dauer der Probezeit, Verträgen mit festgelegten Mindest-Arbeitszeiten, Weiterbildung, einer angemessene Kündigungsfrist sowie Zugang zu Mechanismen für objektive Streitbeilegung im Falle von Kündigungen oder unlauterer Behandlung.
Die Kommission tauscht sich auch mit Sozialpartnern aus, um den Zugang zu Sozialschutz, insbesondere für Selbstständige und Personen in atypischen Angestelltenverhältnissen, zu verbessern. Ziel sei es, sicherzustellen, dass jeder Arbeiter Zugang zu Sozialleistungen entsprechend seiner Beiträge habe, erklärten EU-Beamte.