Die NGO Transparency International hat eine Übersicht über die Nebeneinkünfte der EU-Parlamentarier veröffentlicht. Es scheint, dass bei einigen MEPs auch Interessenkonflikte zwischen der Arbeit als Abgeordnete und ihren sonstigen Tätigkeiten bestehen. Die Ethikkommission tut derweil: Nichts. EURACTIV Frankreich berichtet.
Die Europaabgeordneten aus Frankreich sind führend: Sie gewinnen den Preis für die höchsten zusätzlichen Einkommen im Europäischen Parlament. Von den 30 Abgeordneten mit den höchsten Einkünften außerhalb ihrer legislativen und parlamentarischen Tätigkeit sind laut Transparency International acht Franzosen.
Die Transparenz-NGO hatte eine Liste von Gehaltserklärungen der Abgeordneten veröffentlicht.
Die Abgeordneten erhalten ein Salär von 8.484 Euro pro Monat. Diese Gehälter können aber schnell auf über 12.000 oder gar 14.000 Euro steigen, da gewisse Kosten ohne Belege erstattet werden können. Dennoch verdienen sich einige MEPs „etwas“ nebenher.
„Auffallend ist, dass besonders die rechtsextremen französischen Abgeordneten ihre Amtszeit genutzt haben, um ihre Einnahmen aus externen Aktivitäten zu erhöhen,“ kommentierte Daniel Freund, Autor der Studie bei Transparency International.
Rechtspopulisten nutzen das EU-Parlament als Geldquelle
Die rechtspopulistische Fraktion Europa der Nationen und Freiheiten – der unter anderem der französische Rassemblement National (vormals Front National) oder die niederländische PVV von Geert Wilders angehören – hat die höchste Quote an Abgeordneten, die Zweitjobs haben (54 Prozent).
Gerade bei den 24 im Jahr 2014 über die Liste des Front National ins Parlament eingezogenen MEPs (von denen fünf die Partei inzwischen verlassen haben) zeigt sich ein Anstieg der Einnahmen. Das ist beispielsweise der Fall bei Jean-Luc Schaffauser, der für 20.000 Euro im Monat mit Beratungsleistungen für ein in Dubai ansässiges Unternehmen Geld verdient. Oder bei Bernard Monot, der „zwischen 5.000 und 10.000 Euro“ pro Monat als „Wirtschafts- und Finanzmanager“ verdient. Und Gilles Lebreton, der vor seiner Wahl keinerlei Zusatzeinkünfte angegeben hatte, deklariert jetzt satte 60.000 Euro pro Jahr.
Der erstaunlichste Fall ist jedoch zweifellos der des italienischen Abgeordneten Renato Soru (S&D), der vor seiner Wahl CEO des Telekommunikationsunternehmens Tiscali war. Nach seiner Wahl hatte Soru den Geschäftsführerposten abgelegt und ist nun lediglich als Berater für das Unternehmen tätig – sein Monatsgehalt von 30.000 Euro hat er aber behalten.
Bitcoins, Cannabis und ein ordentliches Gehalt
Insgesamt deklarierten die MEPs 1.366 Nebenbeschäftigungen; davon sind auch einige unbezahlt. Die Gesamtzahl der MEPs, die Nebenerwerbe haben, ist ebenfalls eher gering: Jeder dritte Abgeordnete hat einen Zweitjob.
Doch gerade dieses eine Drittel scheint neben der Parlamentsarbeit exorbitant gut zu verdienen.
Spitzenreiter ist der litauische MEP Antanas Guoga (ALDE): Mit einem monatlichen Einkommen von 200.000 Euro, das Guoga auf eher rätselhafte Weise mit seiner Kryptowährungs-Banking-Tätigkeit verdient, erhöht der Abgeordnete im Alleingang das Durchschnittseinkommen aller litauischen Abgeordneten im Europäischen Parlament deutlich.
Guoga ist auch Mitglied in einer beeindruckenden Anzahl von Verwaltungsräten verschiedener Unternehmen. Zum Beispiel ist er Vorstandsmitglied und Berater einer Firma namens Grand Cannabis International, von Glücksspiel- und Pokerseiten sowie einer Sportbekleidungsfirma.
Auf Nachfrage von EURACTIV erklärte der Abgeordnete, er habe bereits bei seinem Amtsantritt im EU-Parlament ein Vermögen von 25 Millionen Euro angegeben.
Keine Reaktion von der Ethik-Kommission
Drei MEPs sind auch Mitglieder von Gruppen, die im Lobbyindex des Parlaments geführt werden – beispielsweise bei der Bertelsmanns-Stiftung, für die die ehemalige Kommissarin Viviane Reding tätig ist.
„Es ist zwar möglich, dass sie nicht versuchen, ihre Kollegen zu beeinflussen,“ erklärte Transparency, wies aber auch darauf hin, dass der Verhaltenskodex des EP jegliche Lobbyarbeit der Abgeordneten verbietet.
Der Verhaltenskodex, der nach einem Skandal im Jahr 2011 aufgebaut worden war, hat in der Praxis nur geringe Auswirkungen auf die Arbeitsweise des Parlaments. Keiner der 24 Fälle, die in den letzten fünf Jahren an den Ethikausschuss des Europäischen Parlaments verwiesen wurden, hat zu Sanktionen geführt.
Auch die Tatsache, dass seine Beratungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, lässt Zweifel daran aufkommen, was im Ausschuss tatsächlich geschieht.
„Wenn Enthüllungen bekannt werden, werden die Abgeordneten lediglich aufgefordert, ihre Erklärungen zu aktualisieren,“ kritisierte Transparency International.
Die NGO erinnerte auch daran, dass in den Vereinigten Staaten alle zusätzlichen Einnahmen für Senatoren und Kongressabgeordnete, die 15 Prozent ihres Gehalts übersteigen, direkt in den Bundeshaushalt eingezahlt werden, und dass Anwalts-, Banker- oder Berater-Tätigkeiten als Zweitjobs verboten sind.