Der französische Europaabgeordnete, der als Berichterstatter für den EU-Haushaltsplan des EU-Parlaments fungiert, tritt am heutigen Montag seinen 13. Tag eines Hungerstreiks an. Sein Ziel ist es vor allem, durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mehr EU-Geld für Gesundheit, Klima und Beschäftigung zu generieren. EURACTIV Frankreich berichtet.
„Es ist doch absolut obszön, dass es angeblich kein Geld für Krankenhäuser oder die Isolierung von Gebäuden – die tausende Arbeitsplätze schaffen würde – gibt, wenn eine kleine Steuer auf Finanztransaktionen allein 50 Milliarden Euro pro Jahr mobilisieren könnte,“ kritisiert Pierre Larrouturou im Gespräch mit EURACTIV Frankreich.
Der heutige Montag eröffne eine „entscheidende Woche“ für den EU-Haushalt, so der Europaabgeordnete, Gründer der Partei Nouvelle Donne und Mitglied der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament.
Man könne bald mit dem Abschluss der Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen rechnen, sagt er und fragt sich: „Wird eine Steuer auf Finanztransaktionen ab dem Jahr 2024 Teil der Vereinbarung sein?“
Kampf um Eigenmittel
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten sich während vier langer Tage mit mühsamsten Verhandlungen im vergangenen Juli darauf geeinigt, einen Gesamt-Haushalt von 1074 Milliarden Euro in den kommenden sieben Jahren sowie den Recovery Fund in Höhe von 750 Milliarden Euro anzunehmen.
Larrouturou weist jedoch auf den Kampf zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament hin: Letzteres wünscht sich 39 Milliarden Euro mehr, sowie eine Entscheidung über die sogenannten Eigenmittel, also direkte Einnahmen für die EU, die diese dann verteilen kann.
Zu diesen (potenziellen) Eigenmitteln gehört beispielsweise die Plastiksteuer, die 2021 in Kraft treten wird – mit geschätzten Einnahmen von rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen die angedachte Digitalsteuer (rund fünf Milliarden Euro), eine mögliche CO2-Steuer an den EU-Außengrenzen (rund drei Milliarden Euro) – und die bereits seit Langem immer wieder geforderte Finanztransaktionssteuer (FTS), für die sich der französische Abgeordnete besonders einsetzt.
„Diese [Finanztransaktionssteuer] würde 50 Milliarden Euro einbringen, also mehr als alle anderen EU-Steuern zusammen,“ erklärt er und erinnert, dass die FTS inzwischen auch im parlamentarischen Bericht über die Finanzierung des Green Deal der EU enthalten ist, der am Mittwoch zur Abstimmung gestellt wird.
Larrouturou betont weiter, die Steuer sei eine effektive Möglichkeit, das EU-Recovery-Programm zu finanzieren und gleichzeitig Gesundheits-, Klima- und Arbeitspolitik zu stärken.
Mehr noch: Sie sei „technisch fertig und einsatzbereit“ – im Gegensatz beispielsweise zur CO2-Grenzsteuer, deren mögliche Ausgestaltung noch absolut unklar sei.
EU-Debatte seit (mindestens) einem Jahrzehnt
Die Idee der Finanztransaktionssteuer ist alles andere als neu: Tatsächlich stützt sich Larrouturou auf ein Projekt, das von der Europäischen Kommission im September 2011 angestoßen wurde, das allerdings nicht einstimmig von den Mitgliedstaaten unterstützt wird.
Die Schwergewichte Deutschland und Frankreich befürworten zwar ebenfalls eine europäische FTS, deren Umfang allerdings geringer wäre als die von der EU-Exekutive in Brüssel vorgeschlagene: Die Kommission plante ursprünglich, möglichst alle Transaktionen und Wertpapiere (Aktien, Obligationen und Derivate) zu besteuern. Im Gegensatz dazu würde sich der deutsch-französische Vorschlag lediglich auf die Besteuerung von Aktiengeschäften konzentrieren.
Kritik dafür gab es unter anderem von Österreichs Finanzminister Gernot Blümel. Der Vorschlag aus Paris und Berlin sei „genau das Gegenteil von dem, was die Kommission vor einigen Jahren vorgeschlagen hat. 99 Prozent aller Finanzgeschäfte werden davon nicht erfasst.“
Die Forderung nach einer derart verwässerten FTS sei aus österreichischer Sicht daher „nicht akzeptabel“.
Zeit drängt
Nun drängt die Zeit auch aufgrund anderer Baustellen.
Am 10. und 11. Dezember wollen die Staats- und Regierungschefs der EU das neue Klimaziel der EU für das Jahr 2030 verabschieden. Die Vereinten Nationen erwarten im Vorfeld des Klimagipfels in Glasgow im November kommenden Jahres eine Steigerung der Klimaambitionen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sei zwar „entschlossen“, noch während der deutschen Ratspräsidentschaft „eine Einigung über die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen. Es wird jedoch keine Klima-Einigung geben, wenn es keine Einigung über den Haushalt gibt,“ kommentiert Larrouturou dazu.
Er ist sich sicher: „Ohne eine Spekulationssteuer, ohne Geld zur Finanzierung der Klimawende, sind die Chancen leider gering, dass ein ehrgeizigeres Klimaziel verabschiedet wird.“
[Bearbeitet von Tim Steins]