Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich am vergangenen Donnerstag für eine Neuverhandlung des Schengengebiets ausgesprochen – „auch, wenn das Ergebnis ein Schengenraum mit weniger Ländern sein könnte“.
Diese Bemerkung machte der französische Präsident vor 320 Journalisten während einer Pressekonferenz, die lange als Reaktion auf die inzwischen fast sechs Monate andauernden „Gelbwesten“-Proteste angekündigt worden war. Macron legte Reformvorschläge vor, die für seine politische Zukunft entscheidend sein könnten.
Frankreichs Präsident sagte dabei deutlich, dass „gemeinsame Grenzen, Schengen und die Dubliner Abkommen nicht mehr funktionieren“ und verwies auf das Scheitern der EU bei der Umgestaltung des bisherigen Asylsystems.
Die Dublin-Regelungen sehen vor, dass das Land, in dem ein Migrant zum ersten Mal einen Fuß auf EU-Boden setzt, auch die Zuständigkeit für die Bearbeitung dessen Asylantrags trägt.
Insbesondere während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 und 2016 wurde jedoch klar, dass die meisten Asylbewerber nicht im EU-Ersteintrittsland (meist Griechenland, Italien oder Spanien) bleiben wollen und stattdessen versuchen, Länder wie Deutschland oder Schweden zu erreichen.
Mit einer Reform der Dublin-Regelungen sollte unter anderem ein neuer Schlüssel zur Verteilung von Asylsuchenden auf die EU-Länder geschaffen werden, um somit die Belastung gerechter zu verteilen.
Keine Solidarität, kein Schengen
Macrons Aussagen zu einer Neugründung des Schengenraums mit weniger Mitgliedern sind nicht gerade ein Novum: Auf einem informellen EU-Gipfel im vergangenen September in Salzburg richtete er sich bereits an die „Trittbrettfahrer“ der Visegrad-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechie Republik und die Slowakei), die sich nach wie vor weigern, Migranten im Rahmen der von der Kommission vorgeschlagenen Umverteilungsprogramme aufzunehmen.
Beim Gipfel sagte Macron damals, „Länder, die keine Solidarität zeigen“, müssten den Schengenraum „irgendwann verlassen und dürfen keine finanziellen Hilfen [über die EU-Strukturfonds] mehr erhalten“.
Es ist jedoch schwer vorstellbar, wie eine derartige Verknüpfung von „Solidarität“ und Schengen unter den bestehenden EU-Verträgen aussehen würde.
Es ist ebenso unklar, ob es möglich wäre, Schengen durch Auflösung der bestehenden Organisation wiederzubeleben. Diese ist seit 1999 Teil der EU-Institutionen. Wenn eine neue Organisation geschaffen wird, die Schengen ersetzt, besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass diese (wie ursprünglich bei Schengen von 1985 bis 1999) außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der EU-Institutionen liegt.
Enttäuschung für Südosteuropa?
Ein Schengenraum mit weniger Mitgliedern würde höchstwahrscheinlich Griechenland treffen. Athen wird vor allem Ineffizienz bei der Bearbeitung von Asylanträgen vorgeworfen und Griechenland deswegen als „problematisches“ Mitglied angesehen.
Ein Ende der bestehenden Schengen-Regelungen wären auch ein Schlag für die drei Beitrittskandidaten Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Diese setzen auf eine Erweiterung des Schengengebiets – und ganz sicher nicht auf eine Verkleinerung.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]