Die finnische EU-Ratspräsidentschaft hat einen zukünftigen Haushalt in Höhe von 1,06 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) des Blocks für den Zeitraum 2021-2027 vorgeschlagen. Damit liegt Helsinki unter den Zielen der Europäischen Kommission und des Parlaments. EURACTIV.com konnte das Verhandlungspapier einsehen.
Das von Finnland, das noch bis Ende des Jahres den Vorsitz der Mitgliedstaaten führt, entworfene Verhandlungspapier legt eine „Gesamtobergrenze“ von 1,07 Prozent des BNE der EU (1.087 Milliarden Euro) und Zahlungsermächtigungen (sprich: das Geld, das während des Zeitraums tatsächlich ausgegeben werden kann) von 1,06 Prozent des BNE fest. Letzteres entspricht 1.080 Milliarden Euro.
Beide Werte werden in konstanten Preisen des Jahres 2018 angegeben.
Der mehrjährige Finanzrahmen (MFR), der siebenjährige Haushalt der EU, steht beim Gipfeltreffen des Europäischen Rates am 12. und 13. Dezember auf der Tagesordnung. Bisher haben die Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Institutionen und den EU-Staaten zu einer Blockade der Verhandlungen geführt. Eigentlich sollte eine Einigung bis Ende dieses Jahres erreicht werden.
Ein EU-Beamter erklärte, das Dokument stelle „einen ausgewogenen Kompromiss“ zwischen den Ansichten der verschiedenen Fraktionen im Rat dar, räumte aber ein, dass es „sehr schwierig“ sei, alle Positionen zu berücksichtigen.
Das Europäische Parlament hatte für den Finanzierungszeitraum 2021-27 ein Budget von 1,3 Prozent des BNE vorgeschlagen, während der ursprüngliche Vorschlag der Kommission eine Obergrenze von rund 1,11 Prozent enthielt, was 1.105 Milliarden Euro (oder 1,08 Prozent des BNE) an tatsächlichen Zahlungen entspricht.
Bereits im Juni schlug die finnische Ratspräsidentschaft eine Spanne der Gesamtausgaben zwischen 1,03 und 1,08 Prozent vor. Dieser Vorschlag wurde aber von mehreren Ländern heftig kritisiert – insbesondere von denjenigen, die sich für die weitreichende Finanzierung von Landwirten und weniger entwickelten Regionen einsetzen. Die Kritiker betonten, Finnland habe bei seinem Vorschlag keinerlei Anstrengungen unternommen, um ein „faires Gleichgewicht“ zwischen den Interessen der Nettozahler und der anderen Länder herzustellen.
Die Nettozahler Deutschland, Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich wollen die Gesamtausgaben auf rund ein Prozent des BNE begrenzen. Sie argumentieren, dass der Haushalt gekürzt werden muss, da die EU nach dem geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs ohnehin kleiner sein wird.
GAP und Kohäsion
In dem nun geleakten finnischen Verhandlungspapier heißt es, der Vorschlag werde es der EU ermöglichen, auf neue Herausforderungen und Prioritäten zu reagieren und die Finanzierung einer modernisierten Gemeinsamen Agrarpolitik und einer zukunftsorientierten Kohäsionspolitik sicherzustellen.
Der finnische Vorschlag stellt allerdings auch eine Reduzierung um satte 12 Prozent gegenüber dem derzeitigen MFR dar, wie es aus Helsinki hieß. Der Großteil der Mittel solle weiterhin in weniger entwickelte Regionen fließen (194 Milliarden Euro), während 43,2 Milliarden Euro für „Übergangsregionen“ und 34,2 Milliarden Euro für weiter entwickelte Gebiete vorgesehen sind.
Gleichzeitig werden auf die Mitgliedstaaten mit Kaufkraftstandards von weniger als 90 Prozent des durchschnittlichen EU-BNE weitere 39,7 Milliarden Euro verteilt.
Im Bereich der GAP- und Umweltfinanzierung wird die Gesamthöhe der Mittelbindungen auf 346 Milliarden Euro festgelegt, von denen 247 Milliarden hauptsächlich an Landwirte gehen sollen (sogenannte marktbezogene Ausgaben und Direktzahlungen). Im Vergleich zum derzeitigen MFR werden damit die Ausgaben für GAP und die Umweltpolitik um rund 13 Prozent sinken, so die finnische Regierung.
Der finnische Vorsitz betonte jedoch, diese beiden Bereiche würden weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Man wolle sicherstellen, dass mindestens 25 Prozent des EU-Haushalts für die Bekämpfung des Klimawandels verwendet werden.
Konditionalität
In Bezug auf die angedachte und umstrittene „Konditionalität“ [die Vergabe von EU-Mitteln entsprechend der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in den einzelnen Ländern] heißt es im Entwurf, diese Konditionalität werde „echt“ sein. Ziel sei es, Mängel zu beheben, „die den ordnungsgemäßen Einsatz der EU-Mittel oder die finanziellen Interessen der Union in ausreichend direkter Weise beeinträchtigen oder gefährden“.
Derartige Mängel sollen „mit klaren und hinreichend genauen Kriterien“ identifiziert werden. Die Kommission solle „geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen“ vorschlagen, die vom Rat gebilligt werden müssen. Dabei ist allerdings noch unklar, welche Art von Mehrheit im Rat benötigt wird.
Desweiteren schlägt der finnische Vorsitz 151 Milliarden Euro für Binnenmarkt, Innovation und Digitales vor, von denen 84 Milliarden Euro in das Horizon-Programm, das Innovationsinstrument der EU, fließen sollen. Das aktuelle Horizon-Programm ist mit knapp 80 Milliarden Euro ausgestattet.
Das Verhandlungsdokument sieht außerdem 12,9 Milliarden Euro für das neue Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit vor – die abgeschwächte Version eines Haushalts der Mitgliedstaaten der Eurozone. Dieses Dokument wird gerade fertiggestellt. Es soll Reformen und Investitionen in Volkswirtschaften unterstützen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken.
Für die Migration schlägt der Entwurf 23 Milliarden Euro vor, von denen der Großteil für den Asyl- und Migrationsfonds (9,2 Milliarden Euro) bereitgestellt wird. Die neue Europäische Grenz- und Küstenschutzagentur erhält 6,1 Milliarden Euro.
Der Vorschlag wird am morgigen Mittwoch von den EU-Botschaftern und dann am 10. Dezember von den zuständigen Ministern im Rat für Allgemeine Angelegenheiten erörtert, bevor er dann Ende nächster Woche auf den Tisch der EU-Staats- und Regierungschefs kommt.