EU-Justizkommissarin Věra Jourová hat vergangene Woche – auch im Hinblick auf die bevorstehende EU-Präsidentschaft Rumäniens – deutlich gemacht, sie sei besorgt über die Haltung der rumänischen Regierung. Bukarest versuche nach wie vor, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken.
Rumänien wird ab dem 1. Januar 2019 den rotierenden Vorsitz des EU-Rates für ein halbes Jahr übernehmen. Diverse EU-Behörden zeigten sich aber beunruhigt, da es ein anhaltendes Tauziehen zwischen der sozialdemokratischen Regierung in Bukarest und der Justiz des Landes gibt.
Letztere hat diverse Politiker vor allem wegen Korruption erfolgreich verurteilt, teilweise sogar zu Gefängnisstrafen. Die Regierungspartei kritisiert die Urteile derweil als „politisch motiviert“.
Transparency International zählt Rumänien zu den korruptesten Staaten der EU. Seit dem EU-Beitritt im Jahr 2007 steht Rumäniens Justizwesen im Rahmen des sogenannten „Kooperations- und Kontrollmechanismus“ unter besonderer Beobachtung Brüssels.
Erst kürzlich hatte Justizminister Tudorel Toader Präsident Klaus Iohannis gebeten, den Generalstaatsanwalt zu entlassen.
In einem 63-seitigen Bericht, den Toader präsentierte, wird Generalstaatsanwalt Augustin Lazăr vorgeworfen, das Parlament und die Regierung anzugreifen sowie das Fehlverhalten von Staatsanwälten in gewissen Korruptionsfällen zu verteidigen. Darüber hinaus habe der Staatsanwalt seine Verwaltungsaufgaben nicht erfüllt.
Dieser Versuch, Lazăr von seinem Posten zu verdrängen, folgt auf die Entlassung der Staatsanwältin Laura Codruța Kövesi – die im Land als Galionsfigur im Kampf gegen die Korruption gilt.
Jourová fordert konstruktive Zusammenarbeit
Justizkommissarin Jourová kommentierte auf Nachfrage, die Entwicklungen in Rumänien im Bereich der Justiz seien „schnelllebig und sehr dynamisch“.
Im Gegensatz dazu sei die Position der Kommission bekannt. Die EU-Institution habe mehrfach erklärt, „dass die Unabhängigkeit des rumänischen Justizsystems und seine Fähigkeit, die Korruption wirksam zu bekämpfen, für uns von größter Bedeutung sind“. Die Kommissarin warnte weiter, die neuesten Kontroversen dürften sich auch im kommenden Kontrollbericht widerspiegeln, der am 13. November veröffentlicht wird.
Jourová fügte hinzu, sie werde kurz danach nach Rumänien reisen und die im Bericht angesprochenen Themen mit verschiedenen Regierungsvertretern besprechen. Grund dafür sei auch, dass man sich „in der Planungsphase für die [rumänische Rats-]Präsidentschaft“ befinde.
Insgesamt müsse man festhalten, „dass die Kommission sehr besorgt über die Situation ist,“ so die tschechische Kommissarin.
Auf Nachfrage von EURACTIV, ob die rumänische Ratspräsidentschaft als ein Risiko angesehen werden könnte, antwortete Jourová:
„Die Präsidentschaft ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Die EU erwartet von Rumänien, dass es den Vorsitz ohne Probleme führt, und ohne die Arbeit im Rahmen des Vorsitzes mit innenpolitischen Problemen zu verbinden. Ich werde nicht verhehlen, dass für mich die Situation in den Bereichen Justiz und Strafverfolgung der Faktor ist, über den ich mir am meisten Sorgen mache. Deshalb reise ich dorthin [nach Bukarest]. Es gibt dort eine doppelte Aufgabe für mich: dem Land mit allem in meiner Macht Stehenden zu helfen, die Justizkrise zu überwinden; und zweitens darauf zu drängen, dass die Ratspräsidentschaft möglichst viele Punkte auf der aktuellen Agenda der EU abschließt.“
Gelungene Ratspräsidentschaft für Junckers politisches Erbe
Für die Juncker-Kommission ist die rumänische Präsidentschaft von besonderer Bedeutung. Unter ihr soll eine Reihe dringender Gesetzes-Dossiers noch abgeschlossen werden.
In den Zeitraum der rumänischen Amtszeit fällt darüber hinaus der Brexit am 29. März, sowie vom 23. bis 26. Mai die Europawahlen in den 27 verbleibenden Ländern. Darüber hinaus soll kurz vor den Wahlen, am 9. Mai, im rumänischen Sibiu ein EU-Gipfel stattfinden. Gerade dieser Gipfel könnte zeigen, ob die EU genug Überlebenswillen sowie Reform-Ehrgeiz hat.
In diesem Zusammenhang ist klar, dass die Kommission sich eine möglichst reibungslose Ratspräsidentschaft wünscht. Dadurch würden sich auch die Chancen für Jean-Claude Juncker – der keine Wiederwahl zum Kommissionspräsidenten anstrebt – erhöhen, ein gewichtiges und politisch prägendes Erbe zu hinterlassen.