Während ohnehin nur 0,9 Prozent des gerechten Übergangsfonds der EU für Belgien bestimmt sind, könnten die Vergabekriterien der EU-Kommission für den Fonds zu einem „echten finanziellen Kater“ für Flandern werden, warnte die flämische Umweltministerin Zuhal Demir von der separatistischen N-VA am Mittwoch. Es droht erneut eine aufreibende Debatte über die regionalen Unterschiede in Belgien.
Der sogenannte „Fonds für einen gerechten Übergang“ als Teil des Green Deal der EU-Kommission umfasst 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2021-2027. Er ist vor allem als Unterstützung für diejenigen Mitgliedsstaaten und Regionen gedacht, die die größten Anstrengungen unternehmen müssen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, um so das übergeordnete Ziel „Klimaneutralität bis 2050“ zu erreichen.
Zu diesen Ländern zählt beispielsweise Polen, das nach wie vor stark abhängig von der Kohlekraft ist.
Die flämische Umweltministerin Demir bezog sich in ihrer Kritik auf den ersten Gesetzesentwurf der Kommission und kommentierte dazu, der „Gerechte Übergangsfonds“ sei offensichtlich „wenig gerecht“. Vielmehr drohe er, einen „finanziellen Kater“ in ihrer Region zu verursachen.
Die Politikerin der nationalistischen N-VA präzisierte: „26 Prozent oder zwei Milliarden Euro gehen an Polen; nur 0,9 Prozent oder 68 Millionen Euro an Belgien. Und nach dem Kommissionsvorschlag muss dieser Betrag vorrangig an die Provinz Hennegau verteilt werden, so dass Flandern gleich doppelt verliert: Zunächst an Europa, genau wie die wallonischen Kollegen. Und dann ein weiteres Mal, weil Europa einen zusätzlichen Transfer in den Hennegau verlangt.“
Ihrer Ansicht nach könnte Flandern „unter normalen Umständen“ 39 Millionen der für Belgien vorgesehenen 68 Millionen Euro für sich beanspruchen, „aber die EU-Kommission verhindert das“.
Demir kritisierte auch die mangelnde Transparenz: „Die Kommission möchte, dass Belgien die Ressourcen vorrangig in Bergen, Charleroi und Tournai einsetzt. Der Grund dafür ist überaus konstruiert und nicht transparent.“
Keine Transparenz?
Tatsächlich hat die Europäische Kommission eine Reihe von Kriterien festgelegt, mit denen bestimmt wird, welche Regionen für Gelder aus dem Übergangsfonds in Frage kommen. So sollen die Kohlenstoffemissionen der jeweiligen Industrie berücksichtigt werden, aber auch die „Bruttowertschöpfung“ dieser Industrie.
Da flämische Unternehmen im Durchschnitt einen größeren wirtschaftlichen Mehrwert im Vergleich zu anderen belgischen Regionen schaffen, falle Flandern durch das Raster der Kommission, so Demir. Anders gesagt: Die flämische Wirtschaft läuft zu gut, als dass sie für Unterstützungszahlungen aus Brüssel in Frage kommen würde.
Für Demir und ihre Partei ist dennoch klar: „Flandern wird mit der Verteilung der Ressourcen, wie sie derzeit vorgeschlagen wird, nicht einverstanden sein.“ Es brauche eine entsprechende Anpassung des Kommissionsvorschlags.
Neben den Streitigkeiten mit den wallonischen Nachbarn ärgert sich die flämische Partei auch über die relativ geringe Mittelzuweisung für Belgien insgesamt: „Belgien so wenig Ressourcen zu gewähren und dann eine wallonische Provinz als Priorität zu benennen, erscheint uns nicht fair.“
Abschließend stellte Demir in bester populistischer Manier klar: „Wir wollen eine praktikable und bezahlbare Klimapolitik in Flandern. Aber wir haben nicht den Anspruch, die Klimapolitik in Wallonien oder Osteuropa mit dem Geld der Flamen praktikabel und bezahlbar zu machen.“
Nationalismus kommt nicht gut an
Demirs markige Aussagen kamen nicht bei allen gut an: Widerspruch und Kritik gab es nicht nur von der Opposition im flämischen Parlament, sondern auch von den Koalitionspartnern der konservativen CD&V und der liberalen Open VLD.
Die EU-Kommission hat indes beschwichtigt, es handele sich bei den bisherigen Dokumenten nur um einen ersten Entwurf. Die endgültige Entscheidung über die Zuweisung der Mittel an die Regionen werde zu einem späteren Zeitpunkt noch mit Belgien verhandelt. „Die Kommission wird die Kriterien und die jeweilige Fähigkeit eines Landes, die Herausforderungen des Wandels zu bewältigen, berücksichtigen,“ sagte ein EU-Sprecher dazu.
In der Zwischenzeit gibt es in Belgien auch Bedenken, ob der gesamte Fonds an sich nicht unterfinanziert sein könnte. Der Gouverneur der belgischen Nationalbank, Pierre Wunsch, hatte kürzlich beispielsweise kritisiert, mit dem geplanten EU-Gesetz liege „nicht genug Geld auf dem Tisch“ – nicht nur für Flandern oder Belgien, sondern für den EU-Block als Ganzes.
(Bearbeitet von Benjamin Fox und Tim Steins)