Apps zur Ermittlung von Coronavirus-Kontakten sollten bestenfalls EU-weit zur Pflicht gemacht werden, forderte der slowenische Premierminister Janez Janša am heutigen Mittwoch. So könne dabei geholfen werden, der EU beim Übergang aus der Krise zu helfen und die Grenzen wieder komplett zu öffnen.
Im Mai war in einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten festgehalten worden, dass die Verwendung von Handy-Apps zur Ermittlung und Benachrichtigung von Menschen, die mit Coronavirus-Infizierten potenziell in Kontakt waren, in der EU stets auf freiwilliger Basis geschehen müsse.
Janša hingegen glaubt, der normale Alltag könne in Europa nur wieder aufgenommen werden, „wenn wir eine neue digitale App zur Virenverfolgung schaffen, die nicht absolut freiwillig ist“.
Janša, der auf einer Video-Veranstaltung neben dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić sprach, fügte hinzu, eine solche verpflichtende Verwendung einer App sei „die einzige Alternative“, um die europäische Tourismusindustrie wieder in Gang zu bringen.
Es müsse außerdem bestenfalls eine einzige, EU-weit einsetzbare App geben. Janša warnte weiter, ohne einen solchen einheitlichen Ansatz bestehe die Gefahr, dass verschiedene Länder unterschiedliche Lösungen wählen, „von denen einige wirksamer und andere weniger wirksam sind“.
Die slowenische Regierung selbst hat kürzlich ein Gesetzespaket zur Bekämpfung der Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie vorgelegt. Dieses enthält tatsächlich die verpflichtende Verwendung einer App zur Ermittlung von Kontaktpersonen für Menschen, die positiv auf das Virus getestet wurden oder sich in Quarantäne befinden. Eine Nichtbefolgung dieser App-Pflicht könnte mit einer Geldstrafe von bis zu 600 Euro geahndet werden.
Über die Pläne soll am morgigen Donnerstag abgestimmt werden. Wenn sie angenommen werden, wäre Slowenien das einzige EU-Land, in dem die Nutzung einer Coronavirus-App per Gesetz vorgeschrieben ist – zumindest in gewissem Maße und für bestimmte Personen.
Der Plan der Regierung hat für Kritik seitens der Opposition gesorgt, die die „schleichende Einführung einer Diktatur“ im Land befürchtet.
Derweil hat auch die Leiterin der slowenischen Datenschutzbehörde, Mojca Prelesnik, die Nationalversammlung aufgerufen, eine solche obligatorische Nutzung der App nicht zu unterstützen. Ihrer Meinung nach steht die slowenische App der Vereinbarung auf EU-Ebene und den Empfehlungen der Europäischen Kommission entgegen.
Seit Beginn der Pandemie hat es in Slowenien knapp 2.000 bestätigte Coronavirus-Infektionen gegeben. 111 Todesfälle werden mit dem Virus in Verbindung gebracht.
Weitere Apps in Europa
Derweil werden im Rest der EU weitere nationale Apps eingeführt: Karine Moykens, Generalsekretärin des belgischen Ministeriums für Wohlfahrt und öffentliche Gesundheit, bestätigte Anfang dieser Woche, dass das Land im September seine App starten wird, berichtet die Brussels Times.
In Irland wurde die nationale App zur Ermittlung von Coronavirus-Kontakten nach dem Start am Dienstag innerhalb weniger Stunden 500.000 Mal heruntergeladen. Am Ende des Tages waren es über 860.000 Downloads.
Eine der größten, wenn auch selbsterklärten Erfolgsgeschichten in der Coronavirus-App-Landschaft Europas dürfte bisher das deutsche Modell sein, das seit Mitte Juni verfügbar ist. Die Software wurde bisher von rund 15 Millionen Nutzerinnen und Nutzern heruntergeladen.
Allerdings gibt es bisher nur wenige Daten über die tatsächliche Wirksamkeit der App.
Slowenische Ratspräsidentschaft ebenfalls mit Digital- und Corona-Themen
Während der Debatte am Mittwoch hob der slowenische Premierminister auch die Rolle seines Landes in der sogenannten Trio-Ratspräsidentschaft hervor, die derzeit von Deutschland geführt wird. Portugal wird die EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2021 übernehmen, bevor dann Slowenien in der zweiten Jahreshälfte an der Reihe ist.
Janša hielt dazu fest, seine Regierung habe bereits zwei ihrer Prioritäten erfolgreich platzieren können: „Wir haben zwei neue Prioritäten vorgeschlagen, und beide Partner im Trio haben sie akzeptiert. Die eine besteht darin, einen wirklich umfassenden strategischen Plan zu erstellen, wie auf europäischer Ebene eine mögliche neue Epidemie bekämpft werden kann. Die zweite ist die Frage, wie wir uns auf einen massiven Cyberangriff vorbereiten können, der durchaus Realität werden könnte.“
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]