Ein EU-Warnsystem zur Überwachung schwerer Fälle von Desinformation und Fake News wurde nach einer Reihe von Online-Kampagnen rund um den Coronavirus-Ausbruch erstmals genutzt. Das bestätigte die Europäische Kommission.
Das System wurde im Fall von Fake News zum Coronavirus dazu benutzt, Wissen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und den G7-Partnern über Desinformationen „aus externen Quellen“ auszutauschen, sagte die Vizepräsidentin der EU-Kommission Věra Jourová am Dienstag.
Einige der weltweit größten Technologieunternehmen trafen ebenfalls mit Jourová zusammen, um zu diskutieren, wie die Flut an Desinformationen über das Coronavirus eingedämmt werden kann.
An dem Treffen nahmen VertreterInnen von Google, Facebook, Twitter, Microsoft und dem Branchenverband EDiMA teil.
„Alle Teilnehmenden bestätigten, dass sie verschiedene Arten von Desinformationen oder Falschinformationen online beobachtet und daher eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben, um diese zu bekämpfen,“ so eine Erklärung von Jourová nach dem Treffen.
„Zu diesen Desinformationen gehören zum Beispiel falsche Informationen zu Heilmitteln, die der Bedrohung begegnen sollen, tatsächlich aber die Gesundheit gefährden können (z.B. Bleichmittel trinken, um das Virus abzutöten; oder Essig in die Nasenlöcher einführen, um eine Ansteckung zu vermeiden). Weiter gab es bewusste Falschmeldungen über den Ursprung des Virus und die Art und Weise sowie Geschwindigkeit seiner Verbreitung,“ wurde weiter mitgeteilt.
Alle Teilnehmenden des gestrigen Treffens seien sich einig gewesen, man wolle „zuverlässige Nachrichtenquellen“ prominenter darstellen, „verbotene oder schädliche Inhalte entfernen“ und die VerbraucherInnen vor „irreführender Werbung“ schützen, fügte Jourová hinzu.
Das Rapid Alert System
Das nun genutzte Instrument gilt als wichtiger Teil des EU-Aktionsplans gegen Desinformation von 2018 und soll den Informationsaustausch im Zuge von Fake-News-Kampagnen erleichtern.
Alle EU-Mitgliedsstaaten haben eine nationale Kontaktstelle für die Überwachung derartiger Falschmeldungen benannt und sich auch auf einen bestimmten Schwellenwert für die Aktivierung des Systems geeinigt.
Seit seinem Start im März 2019 wurde das Schnellwarnsystem allerdings noch nie ausgelöst, räumte die Kommission im Oktober vergangenen Jahres ein.
Maßnahmen der Plattformen
Facebook zeigte sich unterdessen überaus bestrebt, die Maßnahmen hervorzuheben, die die Plattform zur Eindämmung der Verbreitung von Desinformationen ergriffen hat: Ein Facebook-Sprecher sagte gegenüber EURACTIV, die Maßnahmen umfassten sowohl die Entfernung von Inhalten, „die von der Weltgesundheitsorganisation oder anderen glaubwürdigen Gesundheitsexperten als falsch entlarvt wurden“, als auch ein Verbot von Werbung „im Zusammenhang mit Coronaviren, in der für Produkte geworben wird, die ein Gefühl der Dringlichkeit vermitteln […] oder Heilung garantieren“.
Facebook teilt darüber hinaus mit, man tausche „aggregierte und anonymisierte Mobilitätsdaten und hochauflösende Dichtekarten“ mit ForscherInnen der School of Public Health der Harvard-Universität sowie der National Tsing Hua University in Taiwan aus, um Prognosemodelle für die weitere Verbreitung des Virus zu unterstützen.
Indes hatte Twitter bereits Anfang Februar eine Reihe von länderspezifischen Partnerschaften eingerichtet, mit der Schnellmeldungen ermöglicht werden, die nach Angaben des Unternehmens dazu dienen sollen, den NutzerInnen „glaubwürdige Gesundheitsinformationen“ zu liefern, wenn sie Recherchen im Zusammenhang mit dem Coronavirus-Ausbruch durchführen. Der Schritt wurde damals von der belgischen Gesundheitsministerin Maggie De Block ausdrücklich begrüßt.
Google hingegen reagierte nicht auf Nachfragen von EURACTIV bezüglich seiner Maßnahmen zur Bekämpfung von Fake News und Desinformation über das Coronavirus.
Der Kodex gegen Fake News
Im vergangenen Jahr hatte die Europäische Kommission den sogenannten Verhaltenskodex gegen Desinformation eingeführt. Dabei handelt es sich um einen freiwilligen Rahmen, der die Verbreitung von Fake News im Internet unterbinden soll und zu dessen Unterzeichnern Facebook, Google und Twitter gehören.
Eine erste Evaluierung des Kodexes ist für Frühjahr 2020 erwartet, wobei die Ergebnisse wahrscheinlich in den EU-Demokratie-Aktionsplan einfließen werden – der allerdings erst im vierten Quartal veröffentlicht werden soll. In ihm werden Maßnahmen im „Kampf gegen Desinformation“ festlegt, während gleichzeitig versucht werden soll, „freie und faire Wahlen zu gewährleisten“ und auch auf die Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Berichterstattung der Medien einzugehen.
Am Montag präsentierte die EU-Exekutive darüber hinaus auch ihr „Coronavirus-Reaktionsteam“, dem fünf EU-KommissarInnen angehören. Sie werden sich mit den Gesundheits-, Mobilitäts- und wirtschaftlichen Aspekten des Ausbruchs befassen.
Das Infektionsrisiko wurde derweil Anfang der Woche vom Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten von „moderat“ auf „hoch“ angehoben, nachdem gemeldet wurde, dass sich das Virus auf inzwischen 18 EU-Mitgliedsstaaten ausgebreitet hat.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]