Das Europäische Parlament wird in einer Resolution, über die am heutigen Donnerstag, die fünf größten Fraktionen der Versammlung abstimmen werden, ein Konjunkturpaket in Höhe von zwei Billionen Euro fordern. Mit dem Paket soll den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise entgegengewirkt werden.
Die Gesetzgeber einigten sich auf eine gemeinsame Erklärung, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, „ein massives Konjunkturpaket“ vorzulegen, einschließlich eines aktualisierten EU-Haushaltsvorschlags und eines Konjunkturprogramms. Ferner wird gefordert, dass das Parlament voll in den Prozess eingebunden wird.
Die Resolution wird von den fünf größten politischen Fraktionen der Versammlung unterstützt: Die Mitte-Rechts Europäische Volkspartei (EVP), die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), die liberal-zentristische Renew Europe, die Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) und die Grünen/EFA.
Die EU-Gesetzgeber schlagen vor, das Sanierungsinstrument durch die Ausgabe von „langlaufenden Sanierungsanleihen“ zu finanzieren, wobei der Siebenjahreshaushalt der EU als Garantie verwendet werden soll, und zwar für eine Laufzeit, die den erwarteten „tiefen und lang anhaltenden Auswirkungen der gegenwärtigen Krise“ entspricht.
Dem Resolutionsentwurf zufolge sollte das Paket Geld durch Darlehen, vor allem aber „Zuschüsse und direkte Zahlungen für Investitionen und Eigenkapital“ vermitteln.
Die Europaabgeordneten sind zudem der Meinung, dass der EU-Haushalt revidiert werden sollte, um den neuen Bedürfnissen, die sich aus der Krise ergeben, gerecht zu werden. Ferner sind sie „bereit, die Beibehaltung der nationalen Beiträge zu dem Entwurf zu erwägen“, was für einige Mitgliedsstaaten ein sehr kontroverser Punkt ist.
Im Gegenzug fordern die EU-Gesetzgeber die Einführung neuer Eigenmittel über eine gemeinsame Körperschaftssteuer, eine Steuer auf digitale Dienste oder einen Anteil an den Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem der EU. Diese neuen Mittel würden zur Zahlung von Zinsen auf die gemeinsamen Schulden und zur Finanzierung eines „ehrgeizigen“ Haushalts verwendet werden.
Die Mitglieder des Europäischen Parlaments warnen die Kommission davor, einen aktualisierten Haushalt vorzulegen, „in dem der Sanierungsplan zum Nachteil bestehender und künftiger Programme finanziert wird.“ Auch der Einsatz „finanzieller Zauberei und dubioser Multiplikatoren“ solle sich die Kommission sparen.
„Die Planzahlen der zu mobilisierenden Investitionen stellen nicht die tatsächliche Größe eines Erholungs- und Transformationsfonds dar und können auch nicht als solche dargestellt werden“, schreibt das Parlament in seinem Resolutionsentwurf.
Gemeinsame Front
Am Mittwoch, den 13. Mai, tauschten sich die Abgeordneten mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula Von der Leyen, aus, die ihren Vorschlag für ein EU-Reaktionspaket erläuterte, aber nicht den Umfang des neuen Rettungsinstruments enthüllte.
„Das Ausmaß der Krise erfordert eine ernsthafte haushaltspolitische Reaktion“, betonte der belgische Europaabgeordnete (ECR) und Vorsitzende des Haushaltsausschusses Johan Van Overtveldt. Er forderte die Kommission auf, den Binnenmarkt zu schützen, der für die Erholung „entscheidend“ sei.
Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber plädierte für einen ehrgeizigen Haushalt mit einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments – „ein demokratischer Haushalt, der von den hier vertretenen Menschen beschlossen wird.“
Die S&D-Vorsitzende Iratxe García lobte die Fähigkeit des Parlaments, „nationale und parteipolitische Unterschiede zu überwinden“, um eine gemeinsame Antwort zu finden, und forderte die Kommission auf, „ehrgeizig und mutig“ zu sein und nicht zu vergessen, dass „die Schwächsten in unseren Gesellschaften“ geschützt werden müssen.
„Was auf dem Spiel steht, ist der Raison d’Être der EU, ein Projekt, das vor fast 70 Jahren mit Solidarität als Eckpfeiler ins Leben gerufen wurde“, so der grüne Europaabgeordnete Philippe Lamberts. Der Belgier vertrat die Ansicht, dass der Block dieser existenziellen Bedrohung nur durch eine gemeinsame Verschuldung und eine gemeinsame fiskalische Antwort entgegentreten könne.
„Wir müssen zusammenstehen oder getrennt kämpfen“, sagte Renew Europe-Gruppenleiter Dacian Cioloș. „Für mich lautet die Antwort: zusammen“, so der rumänische Europaabgeordnete und ehemalige EU-Agrarkommissar.
EVP-Chef Manfred Weber wies auf den Europäischen Rat hin und warnte: „Jetzt ist nicht die Zeit für institutionelle Kämpfe. Es ist Zeit, ein demokratisches Europa zu garantieren.“
EU-Haushalts-Notfallplan
Ein institutioneller Kampf ist jedoch nicht auszuschließen. Schon vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie stritten die Staats- und RegierungschefInnen der EU über den Umfang und die Verteilung des langfristigen Budgets der EU, den so genannten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Damals schlug das Parlament einen Notfallplan vor, um für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern, einen kontinuierlichen Geldfluss für das nächste Jahr zu gewährleisten.
Die Verbindung zwischen dem EU-Haushalt und dem Rettungsfonds sowie die politische Sensibilität, mit der die Gespräche geführt werden, haben die Verhandlungen noch komplexer gemacht. Eine starke Mehrheit (616 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen und 46 Enthaltungen) unterstützte am Mittwoch eine Resolution, in der die Europäische Kommission um einen Notfallplan gebeten wurde.
„Die Bürger, Unternehmen und die Zivilgesellschaft würden nicht verstehen, wenn wir am 1. Januar 2021 keinen EU-Haushalt vorliegen haben. Wenn es schon vor dieser Pandemie schwierig war, dies zu akzeptieren, so wird es jetzt mit den schwerwiegenden Auswirkungen der COVID-19[-Pandemie] noch viel schwieriger“, sagte die S&D-Abgeordnete und Berichterstatterin Margarida Marques gegenüber EURACTIV.
(Bearbeitet von Frédéric Simon und Britta Weppner)