Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass sie in diesem Jahr die Reserven des EU-Budgets anzapfen könnte, um den Fortschritt der nationalen Impfaktionen zu überwachen, Arzneimittelsicherheitsstudien zu finanzieren und gegen neue Varianten von COVID-19 anzukämpfen.
Sandra Gallina, die Generaldirektorin der Gesundheitsabteilung der Kommission, trat am Montag vor den Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments, um Fragen zur Impfstoffstrategie der EU und zu den Verträgen mit Pharmaunternehmen zu beantworten. Zuvor hatte es Auseinandersetzungen mit dem Impfstoffhersteller Astrazeneca gegeben.
Der Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses, Johan van Overtveldt (EKR), fragte Gallina, ob die Kommission plane, die für dieses Jahr zur Verfügung stehenden Spielräume des EU-Haushalts – immerhin insgesamt 1,5 Milliarden Euro – für den Kampf gegen die Pandemie zu nutzen.
In diesem Betrag sind 900 Millionen aus dem sogenannten Flexibilitätsinstrument enthalten, mit dem besondere Ausgaben bezahlt werden, die normalerweise nicht durch den EU-Haushalt abgedeckt sind.
„Wir müssen dieses Geld verwenden“, antwortete Gallina und betonte, dass die Mittel unter anderem in die Überwachung der Impfkampagnen in den EU-Mitgliedsstaaten investiert werden sollten. Der Hintergrund: Obwohl alle Impfstoffe registriert sind, führen nicht alle nationalen Behörden Aufzeichnungen in digitalisierter Form; dies sei daher ein „wichtiger Arbeitsschritt“ der Kommission, sagte sie.
Die zusätzlichen Mittel könnten außerdem verwendet werden, um Pharmakovigilanzstudien zu finanzieren.
Gallina betonte jedoch, dass das Geld vor allem für die Erforschung neuer Varianten des Virus notwendig sei. „Ich danke dem parlamentarischen Haushaltsausschuss, wenn Sie uns bezüglich dieser Varianten helfen,“ sagte sie.
Die Kommissionsbeamtin legte weiter dar, ihre EU-Institution habe bisher mehr als 3,4 Milliarden Euro in den Kampf gegen die Pandemie investiert: 2,7 Milliarden aus EU-Mitteln plus 750 Millionen von den Mitgliedsstaaten. Etwa 84 Prozent wurden für Impfstoffe ausgegeben, während der Rest für den Kauf des Antivirus-Medikaments Remdesivir, den Erwerb von Antigen-Schnelltests und die Ausbildung von Gesundheitspersonal eingesetzt wurde.
Mehr als die Hälfte der von den Mitgliedsstaaten beigesteuerten Gelder – rund 416 Millionen Euro – sollen derweil für den zukünftigen Einkauf von Impfstoffen der Firmen Novavax und Valneva verwendet werden, die sich aktuell noch in der Entwicklungsphase befinden. Mit diesen beiden Firmen hat die Kommission künftig acht Impfstoffe in ihrem „Portfolio“.
Gallina betonte auch, dass die EU nicht mehr Impfstoffe von den Firmen erhalten hätte, wenn sie mehr pro Dosis bezahlt hätte. Denn: „Das Problem liegt bei der Herstellung.“
Sie wies außerdem Behauptungen zurück, dass andere Länder wie die USA oder das Vereinigte Königreich, die bessere Impfraten vorweisen können, von den Pharmafirmen „besser behandelt werden“ als die EU. „Im Wesentlichen bekommen wir das, was wir bestellt haben“, sagte sie. Die einzige Ausnahme sei Astrazeneca gewesen.
Das mit der Firma vereinbarte Liefervolumen hatte eigentlich „im dreistelligen Bereich“ gelegen. Ende Januar teilte Astrazeneca aber mit, es gebe Produktionsprobleme und man müsse die Zahl der Dosen auf lediglich ein Viertel reduzieren.
Die Lieferungen könnten sich nun auf rund 30 Prozent des ursprünglich vereinbarten Volumens einpendeln, so Gallina. Dies hänge davon ab, ob das Unternehmen seiner jüngsten Ankündigung Taten folgen lassen kann.
Astrazeneca hatte am Wochenende mitgeteilt, man könne neun Millionen zusätzliche Dosen an die EU liefern, um so insgesamt 40 Millionen zu erreichen. Das würde darauf hindeuten, dass die vereinbarte Zahl bis März ursprünglich bei 120 Millionen Dosen lag – statt bei „nur“ 80 Millionen, wie bisher in Medienberichten angegeben.
[Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins]