Die EU-Urheberrechtsvorschriften stehen kurz vor einer radikalen Überarbeitung: Die Abgeordneten im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments haben am gestrigen Mittwoch die zuvor von den zuständigen Ministern vereinbarten Pläne vorläufig abgesegnet.
Der Gesetzentwurf wurde mit 16 Ja- gegen 9 Nein-Stimmen und ohne Stimmenthaltung angenommen.
Die Urheberrechtsreform, die von Beginn an von heftigen Kontroversen begleitet wurde, steht somit vor ihrer letzten Hürde, bevor die Maßnahmen formell verabschiedet werden. Dafür muss nun noch das Plenum des EU-Parlaments für die Änderungen stimmen.
Die Abstimmung wird voraussichtlich während der Plenarsitzungen in Straßburg vom 25. bis 28. März stattfinden.
Im Rahmen der Vereinbarung müssen große Online-Plattformen wie Google oder Facebook mit Rechteinhabern Lizenzverträge zur Wiederveröffentlichung bzw. Weiterverbreitung der Werke Letzterer aushandeln. Darüber hinaus müssen Videos, die auf Seiten wie Youtube veröffentlicht werden, überprüft werden, um sicherzustellen, dass das Urheberrecht nicht verletzt wird.
Die Plattformen werden jedoch nicht automatisch für Verstöße gegen das Urheberrecht haftbar gemacht, wenn sie nachweisen können, dass sie „alles in ihrer Macht Stehende“ getan haben, um solche Verstöße zu verhindern.
Bei der jüngsten Abstimmung im EU-Rat waren die Mitgliedstaaten sich in Bezug auf die neuen Regelungen jedoch bei weitem nicht einig. Finnland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Polen stimmten gegen die Maßnahmen; zwei weitere Mitgliedstaaten enthielten sich.
Artikel 11 und 13
Die beiden umstrittensten Punkte der Urheberrechtsrichtlinie, die am Mittwoch von den EU-Parlamentariern vorläufig ratifiziert wurden, sind die Artikel 11 und 13.
Artikel 13 verpflichtet die Internetplattformen, Filter zu erstellen, mit denen die Uploads der User überprüft werden können, um sicherzustellen, dass das Urheberrecht nicht verletzt wird. Laut dem derzeitigen Entwurf müssen sich große Plattformen bestmöglich um die Sicherung von Lizenzen für von Nutzern hochgeladene Inhalte bemühen und „alles in ihrer Macht Stehende“ tun, um sicherzustellen, dass urheberrechtswidrige Inhalte niemals hochgeladen werden.
Artikel 11 verpflichtet derweil Internetplattformen, die Ausschnitte von anderen Inhalten veröffentlichen – wie z.B. Google News -, eine entsprechende Lizenz des ursprünglichen Veröffentlichers einzuholen. Schon die Veröffentlichung von mehr als „einzelnen Wörtern oder sehr kurzen Auszügen“ würde eine solche Lizenz erfordern.
Gleichzeitig wurde Text- und Data-Mining von den urheberrechtlichen Beschränkungen ausdrücklich ausgenommen, so dass Wissenschaftler ihre Forschung an großen Datensätzen weiterhin durchführen können, ohne Angst vor Urheberrechtsverletzungen zu haben, hieß es.
Kritik und Lob
Kritiker der Pläne äußerten sich am Mittwoch enttäuscht bis kämpferisch. Die Abgeordnete der Piraten Julia Reda (Fraktion der Grünen/EFA), eine entschiedene Gegnerin der Maßnahmen, forderte die europäischen Bürger auf, sich über die Auswirkungen der Reform Gedanken zu machen und sich an ihre jeweiligen Vertreter im Europäischen Parlament zu wenden.
Mit Verweis auf die Abstimmung im Rechtsausschuss tweetete sie: „Damit ist der Weg frei für die Endabstimmung im gesamten Parlament. Hier können wir Artikel11 und Artikel13 noch stoppen! Ruft eure Abgeordneten an.“
So haben die Abgeordneten im Rechtsausschuss heute abgestimmt: Damit ist der Weg frei für die Endabstimmung im gesamten Parlament, hier können wir #Artikel11 und #Artikel13 noch stoppen! Ruft eure Abgeordneten an https://t.co/33iNkoeXSw #Pledge2019 #SaveYourInternet #Uploadfilter pic.twitter.com/0OE7KqeLIe
— Julia Reda (@Senficon) February 26, 2019
Allerdings mangelte es auf der anderen Seite auch nicht an Lob für die gestern erzielte Einigung. Vor allem Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zeigten sich zufrieden.
„Wir begrüßen die Entscheidung des JURI-Ausschusses und fordern nun das Plenum auf, im Sinne der wichtigen Kultur- und Medienlandschaft Europas zu stimmen, wie es bereits im vergangenen September mit großer Mehrheit geschehen war,“ sagte ein Sprecher der ENPA (European Newspaper Publishers‘ Association), der EMMA (European Magazine Media Association), der EPC (European Publishers‘ Council) und der NME (News Media Europe).
„Der Text – wie in den Triloggesprächen ausgehandelt – würde das Urheberrecht mit einem angemessenen Ansatz modernisieren und gleichzeitig digitale Innovationen nicht im Keim ersticken,“ so der Sprecher weiter.
Der Sprecher für Rechtsangelegenheiten der konservativen EVP, Sajjad Karim, der an den interinstitutionellen Gesprächen teilgenommen hatte, begrüßte das Ergebnis ebenfalls: „Es ist wichtig, dass Urheber und Rechteinhaber im digitalen Zeitalter für ihre Werke auf Plattformen fair bezahlt werden,“ sagte er in einer Erklärung.
Dies sei durch die gestrige Abstimmung „sichergestellt, während die Belastungen und Verpflichtungen für kleinere Plattformen angemessen sind.“
Karim sei „zuversichtlich, dass das EU-Parlament unsere Einigung auf der Plenarsitzung im kommenden Monat unterstützen wird.“
[Bearbeitet von Frédéric Simon]