Die Europäische Kommission hat am Dienstag ihre lang erwarteten Pläne für einen „gerechten Übergang“ präsentiert. Angesichts der Ambitionen des Green Deal werden jedoch bereits Zweifel in Bezug auf die Höhe der für das nächste Jahrzehnt vorgesehenen Mittel geäußert.
Bei der ersten Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg in diesem Jahr stellte der EU-Klimachef Frans Timmermans den sogenannten Just Transition Mechanism (JTM) als „Versprechen der Solidarität und Fairness“ vor. Mit diesem Mechanismus soll Europa grüner werden.
Der niederländische Kommissar sagte weiter, der Vorschlag sei „eine Botschaft an die Bergleute, Torferzeuger und Öl-Arbeiter“. Bereits zuvor hatten EU-Diplomaten die Sorge geäußert, der Vorschlag könnte als reiner „Ausstiegsfonds“ für die Kohleenergie enden.
Laut den Einzelheiten des neuen Vorschlags wird es kohleabhängige Regionen und Industrien tatsächlich ermöglicht, entsprechende Unterstützungsgelder zu beantragen; gleiches gilt aber auch für Stahl- und sogar Kunststoffproduzenten.
„Die Aussicht auf eine sauberere Zukunft mag für die meisten attraktiv aussehen, aber der Weg dorthin kann entmutigend sein,“ räumte Timmermans ein. Er lobte das Parlament für den Vorschlag der Idee eines Unterstützungsmechanismus. Er forderte außerdem die Staaten im EU-Rat auf, sich Zeit für eine Debatte über den JTM zu nehmen sowie rasch einen Beschluss über den neuen mehrjährigen Finanzrahmen zu fassen.
Siegfried Muresan, ein führender Abgeordneter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), rief seine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls auf, in der ersten Jahreshälfte zu einer Einigung über den Fonds zu kommen, um dann die Gespräche über den langfristigen Haushalt, die inzwischen von EU-Ratspräsident Charles Michel geleitet werden, zu beschleunigen.
Tropfen auf den heißen Stein?
Der Fonds für einen gerechten Übergang ist das Herzstück des breiter angelegten JTM. Der Fonds zielt darauf ab, durch Zuschüsse, private Investitionen und Unterstützung der Europäischen Investitionsbank Kapital in Höhe von insgesamt 100 Milliarden Euro zu mobilisieren.
Die dafür zugesagten EU-Mittel in Höhe von 7,5 Milliarden Euro wurden allerdings bereits von mehreren Seiten kritisiert. Diese seien zu gering, um dem Ausmaß der bevorstehenden Herausforderung gerecht zu werden.
Der deutsche Europaabgeordnete Niklas Nienaß (Grüne) bezeichnete die angestrebte Gesamtsumme von 100 Milliarden Euro daher als „Taschenspielertrick“, während die NGO Friends of the Earth Europe ebenfalls betonte, der Fonds sei „zu wenig, um das Ausmaß an Transformation zu erreichen, das zur Bewältigung dieser weltweiten Notlage erforderlich ist“.
Der Europäische Gewerkschaftsbund kritisierte in einer Erklärung: „Die für zehn Jahre vorgeschlagene Finanzierung ist das, was eigentlich jedes einzelne Jahr benötigt würde, um bis 2050 auf faire Weise Klimaneutralität zu erreichen.“
„Es besteht die Gefahr, dass der Großteil der zur Verfügung gestellten Mittel in Forschung und Innovation fließt und nicht direkt den betroffenen Arbeitnehmenden zugute kommt,“ warnte EGB-Generalsekretär Ludovic Voet weiter.
In seiner Rede vor dem EU-Parlament räumte Timmermans ein, dass die 100 Milliarden Euro „nur ein Anfang“ seien, unterstrich aber, dass die „Fairness“ dieses Vorschlags den Rest des Green Deal inspirieren werde.
Friends of the Earth forderte außerdem, dass nur Länder, die „ihren gerechten Anteil am Klimaschutz leisten“, für Geldzuwendungen in Frage kommen sollten, sowie dass alle fossilen Brennstoffe aus dem EU-Budget insgesamt ausgeschlossen werden.
Faktisch scheint Erdgas allerdings weiterhin ein gewisses Maß an finanzieller Unterstützung aus den Staatskassen erhalten zu sollen. Die Atomenergie wiederum dürfte nicht vom JTF profitieren: Regionalkommissarin Elisa Ferreira sagte im Gespräch mit EURACTIV, Kernkraft werde aus dem Fonds „ausgeschlossen“.
Dombrovskis präsentiert Plan zur „Finanzierung des ökologischen Wandels“
Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis stellte auf der gestrigen Plenarsitzung auch den breiter angelegten, eine Billion Euro umfassenden Investitionsplan für ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Europa (SEIP) vor.
Der EU-Wirtschaftskommissar verwies dabei auf die kürzlich aktualisierte Fassung der Finanzierungspolitik der Europäischen Investitionsbank im Energiebereich, die Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem (ETS) und die neu vermittelte „Taxonomie“ für nachhaltige Investitionen.
„Wir werden prüfen, wie diese Mittel im privaten und öffentlichen Bereich eingesetzt werden können,“ erklärte der lettische Kommissar und fügte hinzu, die EU-Exekutive werde die Länder beim Zugang zu Geld unterstützen. Tatsächlich hatten einige Mitgliedstaaten in der laufenden Förderperiode offenbar Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Kohäsionsgeldern.
Rosa D’Amato, Abgeordnete der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, deren Heimatstadt Tarent eines der Gebiete ist, die wahrscheinlich für zusätzliche Geldmittel in Frage kommen, schlug vor, dass die Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandelssystem direkt in den „Just Transition“-Topf geleitet werden könnten. Dieser Ansatz ist jedoch umstritten, da die Einnahmen bisher in die nationalen Haushalte fließen.
Ein weiteres Thema, das die Politik sowie nationale Diplomaten schon jetzt spaltet, ist die Frage, welche Regionen überhaupt für den Fonds in Frage kommen. Die Kommission scheint eine politische Entscheidung zu favorisieren, mit der jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit eröffnet wird, Anträge auf regionaler Basis zu stellen. Dafür müssen bestimmte wirtschaftliche, soziale und wissenschaftliche Kriterien erfüllt werden. Einige Politikerinnen und Politiker, insbesondere aus Mittel- und Osteuropa, haben hingegen gefordert, nur die von der Energiewende am stärksten betroffenen Länder sollten das Recht auf Antragstellung erhalten.
Kommissionsmitglied Ferreira bestätigte darüber hinaus, dass für den Fonds auch rechtsstaatliche Auflagen gelten werden. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass im JTM diese angedachte „Konditionalität“ gelockert würde, um den Übergangsfonds Ländern wie Ungarn und Polen schmackhaft zu machen.
Der schwedische Grünen-Abgeordnete Pär Holmgren warnte jedoch, dass es im Kleingedruckten des Übergangsfonds gerade an Kriterien für das klimapolitische Engagement fehle. Er erinnerte daran, dass Polen sich im Dezember geweigert hatte, einen umfassenden EU-Dekarbonisierungsplan zu unterzeichnen. Darüber hinaus wurden zahlreiche weitere EU-Mitgliedsstaaten für ihre wenig ehrgeizigen Energie- und Klimastrategien kritisiert.
Beim Thema Green Deal und JTM richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf den EU-Rat, wo sich in den anstehenden Haushaltsdebatten zeigen wird, ob die Kommission ihren Willen durchsetzen kann – oder ob die Kriterien und Finanzmittel heruntergestuft werden.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]