Nachdem Italien sich erneut weigerte, seinen Haushaltsentwurf zu überarbeiten, hat die EU-Kommission am gestrigen Mittwoch ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) eingeleitet. Von Seiten der Kommissare hieß es, man brauche nun sachlichen Dialog und „ruhig Blut“.
„Mit dem, was die italienische Regierung auf den Tisch gelegt hat, sehen wir die Gefahr, dass das Land in die Instabilität schlafwandelt,“ warnte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrosvkis, der unter anderem für den Euroraum zuständig ist.
Im Juli hatte der Europäische Rat Italien geraten, sein Defizit um 0,6 Prozent zu mindern. Nach dem von der italienischen Regierung vorgelegten Haushaltsentwurf sollen die Ausgaben hingegen um rund ein Prozent des BIP erhöht werden.
„Die Zahlen sprechen für sich“, kommentierte Dombrosvkis.
Die Empfehlungen des Rats wurden im Sommer von derselben italienischen Exekutive unterzeichnet, die sich heute weigert, sie einzuhalten.
Die Kommission bekräftigte daher gestern erneut, der Entwurf Roms für 2019 verstoße „in schwerwiegender Weise gegen den Fiskalpakt“. Dombrovskis warnte davor, dass die Auswirkungen dieses Haushalts auf das Wachstum „wahrscheinlich negativ sein werden“.
Da Italien mit seinem geplanten Haushalt gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen würde, habe die EU-Exekutive beschlossen, die Einhaltung der Schuldenerlassanforderungen zu überprüfen. Die Staatsverschuldung Italiens, die 2017 bei 131,2 Prozent lag, sei das „Hauptanliegen“ der Kommission.
Wie erwartet kam Brüssel nun also zum Schluss, dass die Eröffnung eines Defizitverfahrens „gerechtfertigt“ ist.
„In dieser Situation mit sehr hoher Verschuldung plant Italien im Wesentlichen eine zusätzliche, signifikante Kreditaufnahme – anstelle der notwendigen Haushaltsdisziplin,“ warnte Dombrovskis.
Moscovici: „Ruhig Blut“
Es liegt nun an den EU-Mitgliedstaaten, den Fall Italien zu beurteilen und eine Entscheidung zu treffen. Aus Sicht von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sei es in der aktuellen Lage aber „nur logisch“, wenn das von der Kommission geforderte VÜD tatsächlich gestartet würde.
„Dieser Schritt, den wir heute unternehmen, ist die unvermeidliche Folge der Entscheidung der italienischen Behörden, ihre Haushaltsziele auch im überarbeiteten Haushaltsentwurf nicht zu ändern,“ betonte der französische Kommissar.
Die Eurogruppe hatte bereits den Beschluss der Kommission von Anfang November unterstützt, den Haushaltsentwurf Italiens abzulehnen. Die Gruppe wird in zwei Wochen erneut über den Haushaltsentwurf ihrer Mitglieder debattieren.
Mario Centeno, Präsident der Eurogruppe, warnte davor, dass die Einhaltung der Finanzvorschriften „nicht nur im individuellen Interesse jedes Landes, sondern auch in unserem gemeinsamen Interesse“ liege. Er äußerte er sich am Dienstag im Europäischen Parlament zu den aktuellen Querelen mit Rom.
Kommission „offen für Dialog“
Die Kommission betonte, man sei weiterhin offen für Gespräche mit den italienischen Behörden. „In den vergangenen Monaten hat die Kommission immer echtes Engagement für den Dialog mit Italien gezeigt,“ betonte Moscovici. Dieses Engagement wolle man weiterführen.
Der Finanzkommissar bedauerte aber, dass auch nach seinen vielen Treffen mit dem italienischen Finanzminister Giovanni Tria – „öfter als ich mich erinnern kann“, so Moscovici wörtlich – die meisten Fragen und Zweifel am italienischen Wirtschaftsplan weiterhin bestehen bleiben.
Wenn schlussendlich ein VÜD eingeleitet würde, werden sachlicher Dialog und „ruhig Blut notwendiger denn je“ sein, so Moscovici.
Dieser Dialog könnte bereits am kommenden Samstag beginnen: Am Vorabend des Brexit-Gipfels wird der italienische Premierminister Giuseppe Conte in Brüssel zu einem gemeinsamen Arbeitsessen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erwartet.
Lob für Griechenland
Nach drei Anpassungsprogrammen ist derweil Griechenland zum ersten Mal wieder im Rahmen des Europäischen Semesters vertreten. Athens Haushaltsentwurf erhielt grünes Licht von der Kommission. Die griechische Regierung habe die in diesem Sommer eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.
Moscovici lobte: „Die Bemühungen des griechischen Volkes, das Programm selbst, die Begleitung, die Forderungen…. all das zahlt sich aus.“
Neben Griechenland entsprachen die Haushalte Deutschlands, Irlands, Zyperns, Litauens, Luxemburgs, Maltas, der Niederlande, Österreichs und Finnlands dem Stabilitäts- und Wachstumspakt; die Haushaltspläne Estlands, Lettlands und der Slowakei erwiesen sich als „weitgehend konform“.
Bei den Entwürfen aus Belgien, Frankreich, Portugal und Slowenien sieht die Kommission hingegen zumindest ein „Risiko der Nichteinhaltung“.