Der Glücksspielsektor befindet sich im Umbruch. Aufgrund schärferer Regelungen bangen viele Unternehmer um ihre Existenz. In ganz Deutschland stehen Tausende Spielhallen vor der Schließung.
Im kommenden Jahr müssen viele Spielhallen in Deutschland mit dem Verlust ihrer Lizenzen rechnen. Schon seit Langem sorgt die Gesetzgebung für Unsicherheit auf dem Glücksspielmarkt, ab 2017 aber treten nun schärfere Regeln für den gesamten Sektor in Kraft. Dann läuft die Übergangsfrist für den Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012 aus.
Die bisherigen Regelungen entsprachen laut Europäischem Gerichtshof nicht dem EU-Recht. 2012 wurde daher ein neuer Glücksspielstaatsvertrag geschlossen, dessen Umsetzung allerdings bei der Automatenwirtschaft auf scharfe Kritik stößt. „Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer haben so gut wie gar nicht die Möglichkeit, sich auf diese Situation einzustellen, weil sie zum großen Teil noch nicht einmal Gewissheit haben, ob sie ihren Betrieb über diesen Stichtag hinaus weiterbetreiben und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter beschäftigen können oder nicht“, sagt Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft.
Mindestens 500 Meter Abstand
Der Berliner Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz von der SPD zeigt sich hingegen erfreut über diese Entwicklung: „Endlich, die meisten Spielhallen in Berlin und Spandau müssen schließen! Spielsucht zerstört Menschen und Kieze. Mit dem strengsten Spielhallengesetz Deutschlands konnten wir die Flut neuer Spielhallen bereits erfolgreich stoppen.“ Wie Berlin haben auch viele andere Bundesländer mittlerweile neue Regelungen erlassen, um den Staatsvertrag umzusetzen. In der Hauptstadt liefen bereits am 31. Juli diesen Jahres alle Lizenzen aus, neue Konzessionen erhalten Betreiber unter anderem nur dann, wenn zur nächsten Spielhalle 500 Meter Abstand besteht.
Aufgrund ähnlicher Regelungen sind in ganz Deutschland Tausende Standorte von einer möglichen Schließung bedroht. Für Georg Stecker ist dies eine alarmierende Entwicklung, da es auch Unternehmer treffe, die sich nichts zu Schulden hätten kommen lassen: „Das eigentlich noch viel dramatischere ist unabhängig von der Übergangsfrist der Kahlschlag nicht gekannten Ausmaßes unter den legalen Spielhallen in Deutschland.“
„Rechtsfreie Räume vermeiden“
Mit dem neuen Gesetz will die Politik in erster Linie den Schutz der Süchtigen verbessern. Denn vor allem Spielautomaten seien mit einem erhöhten Risiko der Abhängigkeit verbunden, sagte die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, Marlene Mortler, der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Gerade die 18- bis 20-Jährigen spielen heute mehr als noch vor wenigen Jahren“, so Mortler. „Um Spieler wirkungsvoll zu schützen, müssen wir rechtsfreie Räume vermeiden und die bestehenden Regelungslücken schnellstmöglich schließen.“
Auch Georg Stecker fordert einen effektiveren Schutz von Suchtgefährdeten. „Wir als Automatenwirtschaft treten offensiv für einen gelebten praktizierten Spieler-, Jugend- und Verbraucherschutz ein“, so Stecker. „Daher haben bei uns die unabhängige Überprüfung von Spielhallen durch eine TÜV-Zertifizierung, die Mitarbeiterschulung sowie Sozialkonzepte in Spielhallen einen hohen Stellenwert. (…) Wer sich nicht an Regeln hält, gehört nicht zu uns.“ Außerdem fordert er ein biometrisches, niederschwelliges, und datensparsames Sperrsystem, um Süchtige besser zu erkennen.
Allerdings steht zu befürchten, dass Spieler durch die Schließung von Rechtslücken bei Spielhallen oder Casinos in andere rechtsfreie Räume ausweichen. So könnten die Neuregelungen durchaus auch zu einem steigenden Angebot illegalen Glücksspiels im Internet führen.
Mindestabstand könnte mit EU-Recht kollidieren
Darüber hinaus ist noch nicht abschließend geklärt, ob das neue Glücksspielgesetz überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist – speziell der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen den Spielhallen. „Konkret gibt es keine Richtlinie, allerdings gelten bei uns auch die verbindlichen Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit“, so Stecker. „Wenn hier gegen diese Grundsätze verstoßen wird, dann hat das eine europarechtliche Dimension. Wir als ein Wirtschaftsverband sehen eine solche Entwicklung sehr kritisch.“