Im schweizerischen Davos findet aktuell (21. bis 25. Januar) das 50. Treffen des Weltwirtschaftsforums statt. Im Laufe der Woche bietet EURACTIV Einblick in das Geschehen auf einer der „exklusivsten“ Konferenzen der Welt, bei der sich Staats- und Regierungschefs sowie Business-Führer die Klinke in die Hand geben.
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Trump, Trump, Trump
Trump wird angenommen: Keine Frage, US-Präsident Donald Trump war die Hauptattraktion beim gestrigen Eröffnungstag des Davoser Forums.
Im Gespräch mit Jorge Valero von EURACTIV.com nach Trumps Rede erklärte Ian Bremmer, Gründer und Vorsitzender der Consulting-Firma Eurasia Group, der amerikanische Präsident fühle sich dieses Jahr „deutlich wohler“ in Davos als noch vor zwei Jahren, als er das erste Mal bei der Veranstaltung auftrat.
Dieses Gefühl scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen: Die Davoser Gemeinde fühle sich „jetzt ebenfalls meist wohler mit ihm“ – nicht als Person, aber in Bezug auf seine Politik. Bremmer weiter: „Trump hat offensichtlich einige Dinge richtig gemacht.“
Tatsächlich könnte es den Davos-Teilnehmenden auch darum gehen, ihre Beziehung zu Trump zu verbessern bzw. wiederherzustellen – vor allem mit Blick über die US-Wahlen im November hinaus. Nach Bremmers Ansicht glauben demnach nämlich viele Wirtschafts- und Politikführer, dass Trump die Wahlen gewinnen wird: „Im Allgemeinen ist die Einschätzung hier so, dass er wahrscheinlich eine zweite Amtszeit bekommt. Und sie selbst sind auch viel besorgter über den linken Flügel der US-amerikanischen Demokratischen Partei.“
Trumps Rede: In Bezug auf Trumps Eröffnungsrede – die er einige Stunden vor seinem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (siehe unten) hielt – stellte Bremmer vor allem fest, Trump sei „fundamental gegen ein starkes Europa“.
„Ich persönlich halte das für falsch. Es ist falsch, besonders wegen der chinesischen Konkurrenz bei der Festlegung von Standards, der globalen Architektur oder der Technologie… Wir brauchen ein starkes Europa,“ fügte er hinzu.
Bremmer wies allerdings auch darauf hin, dass die USA dank ihrer Energieunabhängigkeit, ihrer Nahrungsmittelproduktion und der Dominanz des Dollars in der Weltwirtschaft im Vergleich zu ihren europäischen Verbündeten tatsächlich „immer mächtiger“ werden.
In seiner Rede selbst befasst der US-Präsident sich dann auch nicht mit dem eigentlichen Hauptthema des Davoser Treffens (Klimawandel), sondern nutzte die Chance, um Klimaaktivisten sowie „die ewigen Unkenrufer und ihre Untergangsprognosen“ zu kritisieren. „Sie sind die Erben der albernen Wahrsager von Gestern“ und wünschten sich, dass die USA „schlecht“ dastehen. Deswegen forderten sie seiner Ansicht nach „absolute Macht, jeden Aspekt unseres Lebens zu beherrschen, zu transformieren und zu kontrollieren.“
Ansonsten lobte er vor allem die Vereinigten Staaten und sich selbst: „Amerika wächst und gedeiht, und ja: Amerika gewinnt wieder wie niemals zuvor.“ Die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen seien „spektakulär“. Für die Zukunft sehe er „gewaltige“ Chancen für die US-Wirtschaft und schloss: „Die Zeit der Skepsis ist vorbei“.
Mit seiner Rede erhitzte der US-Präsident einmal mehr die Gemüter und löste teils heftige Reaktionen, beispielsweise von Grünen-Chef Robert Habeck aus.
Grünen Chef Robert Habeck zu Trump Rede in #Davos #weg2020 #zdfheute pic.twitter.com/Fw0uVzYMrb
— Katrin Eigendorf (@KEigendorf) January 21, 2020
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Greta Thunbergs Auftritt
Thunberg fordert Handeln: Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hielt am Dienstagmorgen ihre zweite Rede in Davos. Darin sagte sie: „Das Klima und die Umwelt ist dank des Drängens der Jugend ein aktuelles Thema“, fügte aber hinzu: „Andererseits ist so gut wie nichts getan worden“.
Bei einer zweiten Ansprache nach Trumps Rede kritisierte sie dann, direkt an ihn gerichtet: „Sie sagen, wir sollen optimistisch sein. Aber dann: Nichts. Stille.“ Sie betonte: „Meine Generation wird nicht ohne Kampf aufgeben.“
Daraufhin machte sie aber klar, dass nicht Trump allein das Problem sei. Die Jugend der Welt interessiere es in dieser Hinsicht überhaupt nicht, welcher Partei ein oder eine Politikerin angehört: „Ob links, rechts oder Mitte – alle haben versagt. Keine Ideologie ist dieses Ziel angegangen. Keine Seite ist auf dem Weg, eine nachhaltige Welt zu erreichen.“
Ende der Kohlesubventionen, sofort: Thunberg forderte die WEF-Teilnehmenden auch auf, ab sofort nicht mehr in fossile Brennstoffe zu investieren, diese nicht mehr zu subventionieren und bestehende Subventionen auslaufen zu lassen: „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder selbst 2021 erledigt werden. Wir wollen, dass das jetzt geschieht.“
Die schwedische Teenagerin ist in ihrem Kampf in Davos nicht allein: Auf dem Weltwirtschaftsforum gibt es eine Gruppe junger Menschen, die sich dem Kampf „für eine bessere Welt“ verschrieben haben.
.@GretaThunberg tells Davos 2020: We have eight years to save the climate https://t.co/j80IqPOt2T @TIME #wef20 pic.twitter.com/LT8Sf2rUCX
— World Economic Forum (@wef) January 21, 2020
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Internationale Beziehungen
Erstes transatlantisches Treffen: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war während Trumps Rede nicht anwesend, traf sich aber später mit ihm. Es war ihr erstes Treffen seit von der Leyens Wahl zur Kommissionschefin. Die Ex-Bundesverteidigungsministerin und der US-Präsident gelobten, die transatlantischen Beziehungen zwischen Washington und Brüssel nach der zuletzt schwierigen Phase wieder zu stärken.
„Als Europäerin und engagierte Transatlantikerin war es mir wichtig, die unzerstörbaren Bande zwischen unseren Gesellschaften und Volkswirtschaften zu betonen,“ sagte von der Leyen in einer Erklärung im Anschluss an das Treffen.
Das Gespräch sei für sie auch „eine gute Gelegenheit“ gewesen, um erstmals „persönlich mit Präsident Trump in Kontakt zu treten“.
In Bezug auf die Handelsstreitigkeiten zeigte sich auch Trump recht optimistisch: „Wir reden schon eine Weile darüber, und hoffentlich können wir etwas erreichen,“ sagte er der Kommissionspräsidentin. „Ein Abkommen zwischen uns und Europa ist etwas, das wir alle wollen.“
Wunderbarer Brexit-Deal: Auch zum Thema Brexit, der Ende kommender Woche Realität wird, hatte der US-Präsident etwas zu sagen: Er lobte den britischen Premier Boris Johnson und erklärte, er freue sich bereits, ein „wunderbares Handelsabkommen“ mit London zu unterzeichnen.
Viel zu tun für Sassoli: Neben von der Leyen war auch EU-Parlamentspräsident David Sassoli Teil der EU-Delegation beim WEF. Er hatte in Davos viel zu tun und traf den US-Politiker und Aktivisten Al Gore, Vietnams Vize-Premierminister Truong Hoa Binh – nachdem der zuständige EU-Parlamentsausschuss seine Zustimmung zu einem Handelsabkommen mit dem südostasiatischen Land gegeben hatte – und Apple-CEO Tim Cook, mit dem Sassoli über „die Regulierung von Tech-Riesen, das Urheberrecht und die Steuern, die dort zu zahlen sind, wo auch die Gewinne gemacht werden“, sprach.
First meeting of the day in Davos with @algore. At the center of our discussion, the #EUGreenDeal and recognition of the leading role Europe is playing in the fight against climate change. #WEF20 pic.twitter.com/hxT71DLBQM
— David Sassoli (@EP_President) January 21, 2020
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Finanzen
IWF fordert Staatsinvestitionen: Die bisherige Geldpolitik nähere sich den Grenzen ihrer Fähigkeit, das schleppende Wachstum wieder zu beleben. Die Chefökonomin des IWF, Gita Gopinath, empfahl in Davos daher die Einführung von „mehr Automatismus“ bei den nationalen Ausgaben. So könne man die Volkswirtschaften wieder ankurbeln: „Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um über mehr zyklische Regeln nachzudenken.“
Im Gespräch mit Jorge Valero von EURACTIV.com stellte Gopinath später klar, dass das Ziel dabei nicht darin bestehen dürfe, Regeln einzuführen, die Austeritätsmaßnahmen in Zeiten einer Rezession noch verschärfen würden. Genau dies war dem IWF während der Bailouts einiger Staaten, insbesondere Griechenland, vorgeworfen worden.
Greenwashing benennen: Dass sich in den Schweizer Bergen neben Spitzenpolitikern auch viele Wirtschaftsführer treffen, um über nachhaltige Entwicklung zu diskutieren, nahm die Umwelt-NGO Greenpeace zum Anlass, dutzende Banken anzuprangern, die zwar am Forum teilnehmen, gleichzeitig aber Millionen von Dollar in fossile Brennstoffe investiert haben.
Zeit, nachzudenken: Der scheidende Direktor der Bank of England, Mark Carney, sagte in dieser Hinsicht, die Hauptfrage für Investoren sei zukünftig, wie das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen ist: „Jeder weiß, dass man jetzt einen Plan braucht.“
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Was steht heute an?
Sánchez in Davos. Spaniens Premierminister Pedro Sánchez wird heute zum zweiten Mal auf dem Forum sprechen. Ihm war es kürzlich gelungen, eine neue Regierungskoalition mit der linken Podemos zu schmieden. Dementsprechend dürfte Sánchez vor allem seine politische Agenda für die kommenden Jahre präsentieren.
Von der Leyens großes Debüt: Die Kommissionspräsidentin hält heute ihre erste offizielle Rede in Davos als Chefin der EU-Exekutive. Sie wird ebenfalls ihr Politikprogramm – einschließlich des Vorzeigeprojekts „European Green Deal“ – vorstellen. Danach wird EU-Parlamentspräsident Sassoli in einer Sondersitzung, die explizit der EU gewidmet ist, sprechen.
Weiterer Bericht: Das WEF wird am Mittwoch seinen geopolitischen Ausblick für den Nahen Osten und Afrika vorstellen – beides Regionen, in denen die Spannungen gerade in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen haben. Auch dieser Bericht wird daher mit Spannung erwartet.
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Zitat des Tages
Der Preis für die Liebeserklärung des Tages geht ebenfalls an US-Präsident Donald Trump, der die Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Peking mit den Worten lobte: „Meine Beziehung zu Präsident Xi ist außergewöhnlich. Er ist für China, ich bin für die USA… aber ansonsten lieben wir uns.“
[Bearbeitet von Sam Morgan und Tim Steins]