Kurz vor dem Besuch des deutschen Außenministers Heiko Maas hat die griechische Regierung am gestrigen Montag die erklärte Absicht der Türkei, einen Dialog zu beginnen und die Spannungen wegen der Gasbohrungen im östlichen Mittelmeerraum zu entschärfen, mit der Begründung zurückgewiesen, Ankara sei schlichtweg nicht zuverlässig.
„Für einen Dialog wird ein zuverlässiger Gesprächspartner benötigt,“ zitierten griechische Medien Regierungsquellen. „Unter diesem aktuellen Zustand der Erpressung kann man keinen Dialog beginnen.“
Diese Statements kamen einen Tag vor dem heutigen Besuch von Bundesaußenminister Heiko Maas in Athen und Ankara. Deutschland hat deutlich gemacht, dass der Dialog zwischen den beiden Ländern Priorität haben sollte, und für sofortige Deeskalation in der Region plädiert.
Die Türkei hat inzwischen das Schiff Oruç Reis in Begleitung der türkischen Marine in griechische Hoheitsgewässer geschickt, um dort Probebohrungen nach Öl und Gas durchzuführen. Die Mission sollte eigentlich am 23. August enden, Ankara beschloss jedoch, sie um vier Tage bis zum kommenden Donnerstag zu verlängern.
Die türkische Führung behauptet, die Oruç Reis handele auf türkischem Territorium. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, er werde „nicht den kleinsten Schritt zurückweichen, weder von den Aktivitäten der Oruç Reis noch von denen unserer Marineeinheiten, die sie eskortieren“.
Als Reaktion auf die Entscheidung der Türkei beschloss Athen – das ausdrücklich von Frankreich unterstützt wird – eine Militärübung in der Region abzuhalten.
Mit Blick auf diese griechische Militärübung warnte Erdoğan: „Von nun an wird Griechenland die alleinige Verantwortung für jegliche Spannungen in der Region tragen. Athen ist für den Schaden verantwortlich, den es dadurch verursachen könnte.“
Klare Haltung in Paris
Deutschland, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat, drängt auf einen Dialog zwischen den beiden Ländern – und wurde in Athen für seine „zu neutrale“ Haltung kritisiert: In Griechenland gehen viele davon aus, dass die Position Deutschlands die „türkische Aggression“ fördern könnte.
Im Gegensatz dazu hat Frankreich, das ebenfalls Fregatten in die Region geschickt hat, eine härtere Haltung der EU gefordert. Bei einem Treffen in der vergangenen Woche räumten der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel ein, dass ihre Ansätze nicht immer die gleichen seien. „Aber sie haben sich in dem Wunsch, den östlichen Mittelmeerraum zu einem Raum der Freiheit, der Achtung des Völkerrechts und der Stabilität zu machen, immer weiter angenähert,“ erklärte Macron.
Maas wirbt für Dialog
Maas‘ Doppelbesuch in Athen und Ankara zielt darauf ab, die wachsenden Spannungen zu deeskalieren und einem Dialog zum Durchbruch zu verhelfen.
Entsprechend kommentierte Maas heute früh vor seiner Abreise nach Athen: „Die Türkei und Griechenland sind unsere NATO-Verbündeten. Lösungen für die Streitfragen um die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer kann es nur auf Grundlage des Völkerrechts und im aufrichtigen Dialog miteinander geben.“
Weiter betonte er: „Die Spannungen belasten nicht nur das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei. Eine weitere Eskalation kann allen Seiten nur schaden, vor allem aber den unmittelbar Beteiligten vor Ort.“
Constantinos Filis, Direktor des Instituts für Internationale Beziehungen der Athener Pantion-Universität, prognostiziert seinerseits, dass im Falle eines erfolglosen Maas-Besuchs mit neuen Konflikten mit der Türkei gerechnet werden müsse.
Der Experte sagte auch, die EU sollte eine klare Botschaft an Ankara senden, dass Wirtschaftssanktionen verhängt würden, falls die illegalen Aktivitäten in der Region fortgesetzt werden. Er warnte: „Das türkische Pfund fällt bereits. Wenn Europa jetzt nicht daran arbeitet, Sanktionen zu verhängen, werden wir nicht herausfinden, ob Erdoğan mit seinen ständigen Provokationen und Drohungen blufft.“
Sanktionen umstritten
Mit Blick auf mögliche Sanktionen dürfte das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der EU-Staaten am 27. und 28. August entscheidend werden. Dort will der Hohe Außenvertreter der EU, Josep Borrell, eine Reihe potenzieller „Optionen“ im Umgang mit der Türkei präsentieren. Laut Maas sollte die Stimme Griechenlands bei den Gesprächen ein „besonderes Gewicht“ haben.
Bisher vermeiden es EU-Beamte, das Wort „Sanktionen“ öffentlich zu verwenden. Allerdings wird in Pressegesprächen auch konsequent darauf verwiesen, dass weiterhin alle Optionen auf dem Tisch seien. Insbesondere Österreich und Frankreich drängen auf eine härtere EU-Haltung gegenüber Ankara, während sich Deutschland, Spanien, Italien und Ungarn zurückhaltender zeigen.
EU-Insider erklärten gegenüber EURACTIV.com, Deutschland wolle angesichts des Wiederaufflammens von COVID-19 sowie dessen noch unbekannten wirtschaftlichen Auswirkungen die Eröffnung einer weiteren Front mit Ankara vermeiden.
Die Bundesregierung sei auch besorgt über potenzielle türkische Gegenmaßnahmen im Falle von EU-Sanktionen – insbesondere mit Blick auf die Migration.
[Bearbeitet von Tim Steins]