Die US-Regierung ist sich der Wirkung ihrer Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland sicher. In einem Dokument, das EURACTIV Deutschland vorliegt, listet das Außenministerium 18 europäische Firmen, die ihre Kooperation mit dem Pipeline-Projekt beendet haben.
Bei dem Dokument handelt es sich um einen Fortschrittsbericht über Sanktionen, er muss dem Kongress standardgemäß vorgelegt werden.
In Kraft trat bislang nur eine einzige US-Sanktion. Sie betraf keine der 18 Unternehmen direkt, sondern das russische Rohrverlegungsschiff „Fortuna“ und die betreibende Firma, KVT-RUS. Doch blickt man auf die Tage, an denen die Firmen ihre Verträge aufkündigten, sieht man den Zusammenhang: 16 der 18 Unternehmen beendeten ihre Aktivitäten nur Tage nach Verhängung der Sanktionen. Das lässt vermuten, dass sie fürchteten, demnächst selbst betroffen zu sein.
Auf einige der Unternehmen habe die US-Regierung direkten Druck ausgeübt, sagte ein Sprecher des Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft gegenüber EURACTIV Deutschland. US-Botschaften hätten die Firmen direkt kontaktiert. Das lässt sich auch aus dem Bericht herauslesen: Bei einer der beiden Firmen, die ihre Nord Stream-Verträge erst im Februar kündigen, habe es bereits Ende Januar Gespräche mit gegeben, die auf „guten Willen“ schließen ließen, wie es das Außenministerium nennt.
Deutsche Unternehmen: Kaum Kommentar
Auch zwei deutsche Unternehmen stehen auf der Liste: Bilfinger lieferte Prozessleit- und Überwachungstechnik an die Pipeline, für 15 Millionen Euro. Auf EURACTIV-Anfrage bestätigte eine Sprecherin, dass die Aktivitäten eingestellt wurden – fügte aber hinzu: „Die Arbeiten sind abgeschlossen.“
Die andere deutsche Firma, die Versicherung München Re, bestätigte lediglich, dass die Vertragsbeziehungen beendet wurde, kommentiere aber keine individuellen Kundenbeziehungen.
Zu Fragen nach den Gründen für die Einstellung gaben die Firmen ebenfalls keinen Kommentar ab.
Allerdings wird der Bericht unter europäischen Firmen nicht als Drohung wahrgenommen. Ganz im Gegenteil: Quellen aus Unternehmerkreisen sagten gegenüber EURACTIV, der Bericht sei als Gesprächsangebot zu verstehen.
Dazu ist etwas Kontext nötig: Die Nord Stream-Sanktionen fallen unter die Ära Trump. Unter anderem hatte er ein ökonomisches Interesse, US-amerikanisches Gas an Europa zu verkaufen. Tatsächlich war die Listung des Schiffes „Fortuna“ eine der letzten Amtshandlungen der scheidenden Administration.
Auch Joe Biden steht der Pipeline skeptisch gegenüber der Pipeline, nannte sie einen „schlechten Deal“ für Europa. Allerdings hat er bislang keine neuen Sanktionen angedroht. Und der Ton im Bericht ist freundlich: Neue Sanktionen müssten erst mit EU-Staaten abgesprochen werden, und aktuelle Beratungen mit Verbündeten seien „fortlaufend und robust“.
Joe Biden positioniert sich als vertrauenswürdiger Verbündeter Europas. Damit warb er bereits im Wahlkampf, und versprach zuletzt während der Münchner Sicherheitskonferenz: „Amerika ist zurück“. Vor diesem Hintergrund lassen die Formulierung im Bericht darauf schließen, dass die USA vorerst von weiteren unilateralen Sanktionen gegen Nord Stream 2 absehen werden, heißt es aus der Wirtschaft. Eine gewissen Rücksichtnahme auf europäische Unternehmen sei herauszulesen, Gegner der Pipeline seien mit dem Bericht nicht zufrieden.
„Kein Bedarf für diese Pipeline“
Aus der Zivilgesellschaft etwa wurden zu diesem Anlass wieder Rufe laut, das Projekt komplett einzustellen. „Es gibt mehr als genug Gründe, Nord Stream 2 jetzt zu stoppen“, so Sonja Meister von der Umwelt-NGO Urgewalt.
„Es gibt keinen Bedarf für diese Pipeline, da Deutschlands Gasbedarf in Zukunft sinken wird. Alle beteiligten Unternehmen, darunter Wintershall, Uniper und OMV, sollten sich jetzt sofort von dieser klimaschädlichen Investitionsruine trennen“, so die Aktivistin.
Auch aus der Politik kamen zuletzt Forderungen nach einem Baustopp: Nach der Verhaftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny forderten Grüne und FDP einen (bei den liberalen zumindest temporären) Baustopp, um Präsidenten Vladimir Putin ökonomisch zu schaden. Doch die Bundesregierung will am Bau festhalten.