Die Staats- und Regierungschefs der EU und der Länder der Östlichen Partnerschaft sowie die Spitzen der EU-Institutionen kommen heute per Videokonferenz zusammen, um die strategische Bedeutung der Partnerschaft zu bekräftigen und langfristige Ziele zu erörtern.
Das virtuelle Zusammentreffen der EU-Staaten und der sechs Partnerländer (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldawien und Ukraine) soll jedoch keine offizielle Abschlusserklärung hervorbringen. Ein groß angelegter Gipfel mit persönlichem Zusammentreffen ist stattdessen für Anfang 2021 geplant.
Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie hatte die EU kürzlich mehr als 640 Millionen Euro für den sofortigen und kurzfristigen Bedarf der Partnerschaftsregionen sowie langfristige Unterstützung in Form der sogenannten „Makrofinanzhilfe“ bereitgestellt. Bei letzterer handelt es sich um äußerst günstige Darlehen, die die makroökonomische Stabilität der Länder im Osten verbessern sollen.
Der größte Teil davon, im Wert von 1,2 Milliarden Euro, ist für die Ukraine vorgesehen. Dies zeige, dass die EU bereit ist, Partnern in Krisenzeiten zu helfen, zeigt sich der ukrainische Botschafter bei der EU, Mykola Tochitskji, im Gespräch mit EURACTIV.com zuversichtlich.
„Wir versuchen, in der Frage der [finanziellen] Unterstützung der EU sehr lautstark zu sein, weil diese uns auch bei der Bekämpfung der Desinformation sehr geholfen hat,“ erklärt Tochitskji weiter.
Der Diplomat hat seit seinem Amtsantritt in Brüssel 2016 argumentiert, wenn die EU mehr über russische Desinformationskampagnen erfahren wolle, solle sie sich ansehen, was Moskau unternehme, um die Ukraine zu destabilisieren.
Ziel für Desinformation
Derartige „strategische Kommunikation“ dürfte beim heutigen Treffen ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Das legen auch die Schlussfolgerungen des EU-Rates zur Zukunft der Östlichen Partnerschaft im vergangenen Monat und die Videokonferenz der Außenminister der Östlichen Partnerschaft in der vergangenen Woche nahe.
Die Region gilt schon seit langem als ein veritables „Desinformation-Schlachtfeld“ und ist auch aktuell wieder Ziel zahlreicher Kampagnen und Verschwörungsideologien.
Stärkere Integration
Die drei Staaten der Östlichen Partnerschaft, die Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet haben (Georgien, Moldawien und die Ukraine), fordern nun ein spezielles Format, das ihren Ambitionen, eines Tages der Union beizutreten, gerecht wird.
Gewisse Unterstützung dafür gab es vom Europäischen Parlament und von Euronest, der parlamentarischen Versammlung, die Abgeordnete des EU-Parlaments mit Politikerinnen und Politikern aus den Partnerländern zusammenbringt. Auf den obersten EU-Ebenen wird der Idee von verstärkten Beziehungen jedoch weiterhin mit Vorsicht begegnet.
Die Ukraine, Georgien und Moldawien haben öffentlich erklärt, ihr Ziel sei es, eines Tages EU-Mitglieder zu werden. Die anderen drei Länder der Östlichen Partnerschaft hegen hingegen keine derartigen Pläne: Belarus und Armenien sind Teil der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion, während das rohstoffreiche Aserbaidschan versucht, eine gewisse Distanz zu beiden Großmächten (EU und Russland) gleichermaßen aufrechtzuerhalten.
Trotz der Zurückhaltung einiger EU-Vertreter habe es, darauf weist Tochitskji hin, bereits zwei informelle Treffen zwischen den zuständigen EU-Kommissionsmitgliedern und den drei engeren Partnerländern gegeben. Dies könnte eine Grundlage für eine tiefere Integration in anderen Bereichen bilden, hofft er.
Andersherum sei es auch „ein gutes Signal für unsere EU-Partner, dass wir bereit sind, einen solchen Rahmen zwischen uns dreien und einigen EU-Kommissaren aufzubauen – auch in anderen Bereichen wie der Digitalpolitik,“ fügt der Diplomat hinzu.
„Es geht nicht nur um Handel, es geht auch um Mentalitäten und Visionen“, so Tochitskji weiter: „Wir müssen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch mental näher an die EU heranrücken.“
Die EU-Mitgliedstaaten fordern ihrerseits eine bessere Überwachung der Reformen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie der Justizreformen. Dies ist für viele in der EU neben der Korruption ein wichtiges Schlüsselthema.
„Meine persönliche Meinung ist: Wenn wir unsere Justizreform, insbesondere die Reform der Gerichte, nicht korrekt abschließen – wenn wir keine guten, nicht korrupten, gut arbeitenden und erfahrenen Richter haben – dann könnten wir auch ganz grundsätzlich, mit Allem, scheitern,“ warnt der ukrainische Botschafter.
In dieser Hinsicht verweist er erneut auf die Risiken im Kampf gegen die Korruption sowie die Land-/Bodenreform in der Ukraine.
Das Thema Justiz kochte in der Ukraine vor kurzem wieder hoch, nachdem es Umbesetzungen auf höchstrichterliche Ebene sowie strafrechtliche Ermittlungen gegen den pro-westlichen Ex-Präsidenten Petro Poroschenko wegen angeblichen Machtmissbrauchs während seiner Amtszeit gegeben hatte.
Die Nachricht über diese neuen Ermittlungen hat in Brüssel besorgte Reaktionen ausgelöst. Donald Tusk, der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, teilte mit, die größte Fraktion im Europäischen Parlament sei „sehr besorgt“ über die Vorgänge.
„Anklagen sollten weder einer politisch motivierten Verfolgung ähneln noch gegen ausgewählte politische Gegner gerichtet sein,“ schrieb der Ex-Ratspräsident am Mittwoch auf Twitter.
EURACTIV.com konnte eine Kopie eines Briefes von Poroschenko selbst an EU-Ratspräsident Charles Michel einsehen, in dem der ukrainische Ex-Präsident die Hoffnung äußert, den Behörden in der Ukraine könne eine Botschaft zur Beendigung der „selektiven Justiz“ übermittelt werden.
Tochitskji kommentiert das Thema, ihm sei natürlich bewusst, dass eine solche potenziell selektive Justiz für sein Land „nichts ist, das ein positives Bild vermittelt“.
Er fügt hinzu: „Aber am besten ist es, diese Rechtssache vor dem Tribunal abschließen zu lassen.“
[Bearbeitet von Georgi Gotev und Tim Steins]