Im Jahr 2022 kaufte die Ukraine eine große Menge an Kraftstoffen aus Bulgarien, die aus russischem Öl hergestellt wurden, so die Daten des bulgarischen Nationalen Statistikinstituts, die EURACTIV Bulgarien exklusiv zur Verfügung gestellt wurden.
Von Januar bis November 2022 exportierte Bulgarien Kraftstoffe im Wert von 700 Millionen Euro in die Ukraine. Hat sich dieser Trend im Dezember fortsetzt, lag der Gesamtwert für das Jahr bei über 825 Millionen Euro.
Verglichen mit der Zeit vor dem Krieg ist dies eine Steigerung um das Tausendfache, da die bulgarischen Kraftstoffexporte in die Ukraine im Jahr 2021 nur 750.000 Euro betrugen.
Der derzeitige Umfang der bulgarischen Ölexporte in die Ukraine ist so groß, dass er etwa 1 Prozent der Größe der gesamten bulgarischen Wirtschaft entspricht.
Der wichtigste Treibstoff, der aus Bulgarien in die Ukraine exportiert wird, ist Gasöl (auch als roter Diesel bekannt), das mehr als 90 Prozent der Lieferungen ausmacht.
Der Kraftstoff wird in der Schwerindustrie zum Antrieb von Maschinen, Generatoren und Geländewagen sowie in der Landwirtschaft und der Schifffahrt verwendet.
Auch die Benzinlieferungen haben in den letzten sechs Monaten rapide zugenommen, was mit den russischen Angriffen auf kritische ukrainische Infrastrukturen zu erklären ist.
Der Produzent von Gasöl in Bulgarien ist die einzige Raffinerie des Landes in der Hafenstadt Burgas, der dank einer Ausnahmeregelung von den EU-Sanktionen nach wie vor hauptsächlich mit russischem Öl arbeitet, das per Tanker über das Schwarze Meer eingeführt wird. Die Raffinerie befindet sich im Besitz des russischen Ölkonzerns Lukoil.
Die Raffinerie in Burgas kann es sich leisten, Kraftstoff zu deutlich niedrigeren Preisen zu exportieren, da sie mit ihren eigenen Rohstoffen arbeitet. Im vergangenen Jahr lagen die russischen Ölpreise auf den Weltmärkten wegen der westlichen Sanktionen im Durchschnitt pro Barrel 20-30 Dollar unter den Börsenpreisen.
Bulgarische Statistiken zeigen, dass die Ukraine dank des Exports von Kraftstoffen inzwischen der drittgrößte Handelspartner des Balkanlandes ist und die USA abgelöst hat. Im Jahr 2021 stand die Ukraine an achter Stelle unter den Ländern außerhalb der EU als Bestimmungsort für bulgarische Exporte.
Die Kraftstoffausfuhren aus Bulgarien in die Ukraine erreichten im November 2022 mit Erdölprodukten im Wert von 130 Millionen Euro ihren Höhepunkt.
Die Lawine der Erdölausfuhren in die Ukraine begann im Mai, als Produkte im Wert von 40 Millionen Euro exportiert wurden, und erreichte im Juni 105 Millionen Euro. Von Juni bis zum Ende des Jahres waren die Werte konstant hoch.
Der Zeitraum mit den höchsten Kraftstoffverkäufen in die Ukraine fällt mit der Amtszeit der geschäftsführenden Regierung von Präsident Rumen Radew zusammen, der von seinen Gegner:innen beschuldigt wird, pro-russisch zu sein.
Radew widersetzt sich entschieden der Lieferung bulgarischer Waffen an die Ukraine, doch obwohl das Parlament gespalten ist, hörte es nicht auf ihn und beschloss Ende letzten Jahres mehrheitlich, Waffen zu liefern.
Bulgarien schützt sein Geschäft
Am 13. Januar verabschiedete das bulgarische Parlament ein Gesetz, nach dem aus russischem Öl hergestellte Kraftstoffe nur in die Ukraine exportiert werden dürfen. Das Gesetz enthält jedoch ein Schlupfloch, das den Handel mit anderen Ländern außerhalb der EU für die von Lukoil in Bulgarien produzierten Kraftstoffe ermöglicht, für die es in Bulgarien keinen Markt gibt.
Dies wirft die Frage nach der möglichen Wiedereinfuhr von Kraftstoffen aus russischem Öl in die EU auf, nachdem sie von Bulgarien an ein Land außerhalb der EU verkauft worden sind.
Wenn das Öl aus einem anderen Land, zum Beispiel Kasachstan, stammt, aber auf dem Transitweg Russland passiert hat, kann es nach dem neuen bulgarischen Gesetz nach Bulgarien eingeführt und die Produkte auf dem europäischen Markt verkauft werden.
Ende letzten Jahres kündigte Lukoil seine Absicht an, Bulgarien zu seinem Hauptstandort in der EU zu machen. Das russische Unternehmen versprach, Hunderte von Millionen Euro an Steuern in Bulgarien zu zahlen, wenn es seine Ölproduktion in das Land exportieren darf. Lukoils Raffinerie in Burgas ist die größte auf dem Balkan.
Im Rahmen des sechsten EU-Sanktionspakets gegen Russland war eine befristete Ausnahmeregelung für die Einfuhr von Rohöl über Pipelines in diejenigen EU-Mitgliedstaaten vorgesehen, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderer Weise von russischen Lieferungen abhängig sind und über keine praktikablen Alternativen verfügen.
Bulgarien hat eine solche Ausnahmeregelung bis Ende 2024.
Im Jahr 2022 verkaufte Bulgarien außerdem Waffen im Wert von mehr als 1 Milliarde Euro an die Ukraine, allerdings nicht direkt, sondern über Zwischenhändler:innen, wie eine EURACTIV-Untersuchung im vergangenen Jahr ergab.
Das Balkanland ist der Hauptlieferant von Munition für die sowjetische Aufrüstung der ukrainischen Armee, obwohl die offiziellen Behörden in Sofia immer noch leugnen, dass solche Exporte stattgefunden haben.
„Es ist logisch“
„Es ist logisch, dass Bulgarien mehr Krafstoffe in die Ukraine exportiert, und das wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen“, sagte Martin Wladimirow, Direktor des Energie- und Klimaprogramms der einflussreichen bulgarischen Denkfabrik Center for the Study of Democracy (CID), gegenüber EURACTV Bulgarien.
Wladimirow, einer der führenden bulgarischen Energieexperten, bestätigte auch, dass Kraftstoffe, die von Lukoil oder anderen Importeuren russischer Kraftstoffe wie dem bulgarischen Unternehmen Insta Oil hergestellt werden, in die Ukraine exportiert werden.
„Es handelt sich dabei nicht um Importeure von Rohöl, sondern von Fertigprodukten, die dann über Rumänien exportiert werden, und nach meinen Berechnungen erreichen etwa 32.000 Barrel solcher Kraftstoffe pro Tag die Ukraine. Es handelt sich um Gasöl, das für schwere Maschinen und landwirtschaftliche Geräte verwendet wird“, sagte Wladimirow.
Er widersprach den jüngsten Berichten der WELT und Politico, in denen es hieß, Bulgarien liefere 40 Prozent des Treibstoffs für die ukrainische Armee. Dieser Prozentsatz sei stark übertrieben, sagte Wladimirow.
Der ehemalige Finanzminister Assen Wassilew sagte der WELT, Bulgarien sei zu einem der größten Exporteure von Dieselkraftstoff in die Ukraine geworden und habe zeitweise bis zu 40 Prozent des Bedarfs der Ukraine gedeckt. Statistiken zeigen jedoch, dass der Hauptexport aus Bulgarien Gasöl ist.
„Es ist wichtig zu betonen, dass alle Produkte, die in die Ukraine exportiert werden, entweder direkt in Russland produzierte Kraftstoffe sind oder von Lukoil Neftohim hergestellt werden“, so Wladimirow. Er geht davon aus, dass dies auch in diesem Jahr so bleiben wird.
„Dies wird auch in diesem Jahr so bleiben, da die Europäische Kommission im Dezember eine ausdrückliche Ausnahmeregelung für Bulgarien erteilt hat, die es ihm ermöglicht, aus russischem Öl hergestellte Produkte in Höhe der Durchschnittswerte der letzten fünf Jahre in die Ukraine zu exportieren“, so Wladimirow.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic]