Drei Jahre Haft auf Bewährung hat ein thailändisches Gericht gegen einen britischen Anwalt verhängt. Er hatte Verstöße gegen das Arbeitsrecht in der Obstindustrie aufdeckt. EURACTIV Brüssel berichtet.
Der britische Anwalt Andy Hall reiste im Namen einer finnischen NGO nach Thailand, wo er Fabrikarbeiter über die Arbeitsbedingungen in einem der größten Exportsektoren des Landes interviewte.
Seine überraschende Haftstrafe spiegelt das Wiedererstarken der Militärjunta wider, die ihre gesetzgebende Macht nach dem gewonnenen Verfassungs-Referendum im August nun tatsächlich weiter verankern kann. Hall wird die Haftstrafe wahrscheinlich nicht absitzen müssen. Der Antrag auf Kaution ist bereits gestellt. Man geht davon aus, dass der Anwalt Ende dieser Woche nach Schweden oder Finnland reisen wird.
I/my legal team will appeal today's decision in line with Thai justice system. Still fully confident our team/I will receive justice in end
— Andy Hall (@Atomicalandy) September 20, 2016
„Das Urteil hat uns zutiefst erschüttert“, betont Sonja Vartiala, Direktorin der NGO Finnwatch, die hinter dem Bericht „Cheap Has A High Price“ steht. „Der Bericht wurde von Finnwatch verfasst und veröffentlicht. Wir übernehmen die volle Verantwortung dafür. Andy wurde zum Sündenbock gemacht, um andere Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich legitim für die Rechte ausländischer Arbeiter in Thailand einsetzen.“
Die Verhandlung dauerte fast vier Jahre. Schließlich befand ihn der Richter in beiden Anklagepunkten – Verleumdung und Computerkriminalität – für schuldig. Das Gericht in Bangkok verhängte zusätzlich zur Bewährungshaft noch ein Bußgeld in Höhe von 3.000 Euro. Darüber hinaus erhebt nun auch Natural Fruit, das im Finnwatch-Bericht erwähnte Unternehmen, Schadenersatzansprüche von fast sieben Millionen Euro. Es leugnet sämtliche im Bericht genannten Vorwürfe.
Das EU-Parlament widmete sich Halls Gerichtsverfahren im Namen mehrerer Abgeordneter, darunter Glenis Willmott. EURACTIV bat das Parlamentsmitglied um Stellungnahme zu dem Urteil.
„Ein trauriger Tag für die freie Meinungsäußerung“
Unter dem Militärregime hat die Pressefreiheit in Thailand zunehmend Federn lassen müssen, bestätigt Reporter Ohne Grenzen. Einheimische Journalisten würden häufig zum „Bewusstseinswandel“ in Militärcamps gesteckt. Außerdem verfügt das Land über einige der weltweit schärfsten Gesetze zur Majestätsbeleidigung. Kritik jeglicher Art wird sofort geahndet. Bisher blieb ausländischen Journalisten und Aktivisten das Schicksal ihrer thailändischen Kollegen jedoch weitestgehend erspart.
Über die Bedrohung der Pressefreiheit hinaus kann das Land auch bei den Arbeitnehmerrechten nicht überzeugen – vor allem wenn es um ausländische Arbeiter aus Myanmar, Kambodscha oder Laos geht. Sie genießen kaum Arbeitnehmerschutz. Wenn sie sich beschweren, werden sie meist zur Zielscheibe ihres Arbeitgebers.
„Andy Hall leitete wichtige Untersuchungen zu den Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte in Thailand. Er hätte für seine Arbeit nie strafrechtlich verfolgt werden dürfen“, meint Brad Adams, Asien-Direktor von Human Rights Watch. Der langwierige, intensive Kampf vor Gericht „hatte eine abschreckende Wirkung auf andere Aktivisten, die sich für den Arbeitnehmerschutz an thailändischen Unternehmen einsetzen, die zahlreiche Produkte ins Ausland exportieren.“ Vartiala sieht das ähnlich: „Dies ist ein trauriger Tag für die freie Meinungsäußerung in Thailand. Wir befürchten, dass dieses Urteil viele Menschenrechtsaktivisten und Opfer von Unternehmens-Missbrauch einschüchtern wird.“
Strafrechtliche Verleumdungsgesetze gehören laut Human Rights Watch abgeschafft. Die aus ihnen hervorgehenden Sanktionen fielen im Verhältnis zur Rufschädigung immer unangemessen aus, so die NGO. Außerdem untergraben sie ihr zufolge das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Finnwatch habe inzwischen Kontakt mit Hall aufgenommen. Er sei „relativ positiv gestimmt“.
Hintergrund
Seit der Entmachtung der Ex-Premierministerin Yingluck Shinawatra vor zwei Jahren steht Thailand im Rampenlicht. Aus Misstrauen gegenüber der Militärjunta legte die EU ihr geplantes Freihandelsabkommen mit Thailand für unbestimmte Zeit auf Eis. Darüber hinaus erteilte die EU dem thailändischen Fischereisektor eine "gelbe Karte". Gründe dafür sind Verletzungen des Arbeitsrechts und der Missbrauch von Fischbeständen. Die thailändische Regierung blieb jedoch nicht untätig. Sie verspricht weitreichende Reformen sowie Neuwahlen Mitte 2017.