Ein Astronaut der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) wird Teil der Crew einer SpaceX-Rakete, die im Frühjahr 2021 zur Internationalen Raumstation ISS fliegen wird. Es ist das erste Mal seit 2011, dass ein Europäer ohne Kooperation mit russischen Partnern ins All fliegt.
Der Franzose Thomas Pesquet wurde am Dienstag als eines von vier Besatzungsmitgliedern für den Start im kommenden Frühjahr angekündigt. Es wird die zweite vollwertige Mission von SpaceX sein, einem privaten US-amerikanischen Raumfahrtunternehmen des Tesla-Gründers Elon Musk.
Der ESA-Mann wird zusammen mit den erfahrenen NASA-Astronauten Shane Kimbrough und Megan McArthur sowie dem Japaner Akihiko Hoshide zu einem sechsmonatigen Aufenthalt im Orbit starten. Sie werden von drei weiteren Astronauten begleitet, die mit einer russischen Sojus-Rakete auf der ISS eintreffen werden.
„Ich bin glücklich, der erste Europäer zu sein, der mit dieser neuen Generation von Raumfahrzeugen mit US-Besatzung fliegt,“ sagte Pesquet gestern. Für ihn sei es „eine Ehre und ein Privileg“, dann sowohl mit der Dragon-Maschine von SpaceX als auch mit einer Sojus geflogen zu sein.
Musks Firma hatte Ende Mai erfolgreich zwei NASA-Astronauten ins All geschossen. Es war der erste eigenständige Flug der USA in den Weltraum seit der Einstellung des Space-Shuttle-Programms im Jahr 2011. Die beiden Astronauten sollen am 2. August zur Erde zurückkehren.
Diesem Testlauf wird Anfang September dann eine erste offizielle Mission folgen, bei der vier weitere Astronauten die ISS-Raumstation ansteuern werden. SpaceX war im Rahmen eines 2,6-Milliarden-Dollar-Deals für sechs bemannte Starts von der US-Regierung unter Vertrag genommen worden.
Pesquet hob gestern die „unglaubliche Erfolgsbilanz“ der russischen Sojus-Raketen hervor, stellte aber auch fest, dass sich das Raumschiff Dragon von SpaceX als „vorteilhaft“ erweisen könnte, da es ein weiteres Crew-Mitglied befördern kann, wodurch sich die Besatzung der ISS auf sieben Personen erhöht. Auch die NASA sagte in einer Erklärung, eine zusätzliche Person auf der Raumstation werde es ermöglichen, „den Umfang der Forschung, die im Weltraum durchgeführt werden kann, praktisch zu verdoppeln“.
Der ESA-Beamte David Parker zeigte sich mit der Wahl Pesquets ebenfalls zufrieden. Die neue Aufgabe sei auch „dem starken Engagement für das europäische Explorationsprogramm zu verdanken, das die zuständigen Ministerinnen und Minister auf der Space19+ in Sevilla gezeigt haben.“ Er bezog sich dabei auf ein kürzliches Treffen, bei dem sich die Weltraumagentur ein größeres Budget sichern konnte.
Diese höheren Mittel sind für Starts mit mehr Besatzung, Investitionen in eine Rückführungsmission zum Mond und potenziell sogar für eine neue Raumstation vorgesehen.
Zwar scheint die ESA indes keine offiziellen Pläne zu haben, auch ein eigenes Raumfahrzeug zu entwickeln, der Chef des wichtigsten Raketenbauers Europas zeigt sich aber offen für eine solche Idee: „Nichts ist unmöglich. Das amerikanische Programm für die bemannte Raumfahrt ist 2012 wieder angelaufen. Acht Jahre später gibt es nun diesen bemannten SpaceX-Flug. Wenn Europa bis zum Ende des Jahrzehnts die gleiche Entscheidung treffen würde, wäre alles möglich,“ sagte Stéphane Israël, CEO von Arianespace, bereits im Mai.
Frankreichs EU-Kommissar Thierry Breton setzt sich ebenfalls für die Weltraumpolitik ein. Im Rahmen des Deals des Europäischen Rates über das langfristige Budget in der vergangenen Woche wird der Sektor jedoch in den kommenden Jahren insgesamt drei Milliarden Euro weniger erhalten als bisher vorgesehen. Dieses geringere Budget könnte die Entwicklung einer Rakete, die für bemannte Starts geeignet ist, zunichte machen.
Israël betont dennoch, technisch wäre alles denkbar: Die neue Ariane-6-Trägerrakete seiner Firma soll Anfang 2021 eingeführt werden. Aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs war der Termin bereits verschoben worden.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]