Die Abgeordneten des mächtigen Ausschusses für bürgerliche Freiheiten (LIBE) fordern die EU-Kommission auf, ihr Datenschutzabkommen mit den Vereinigten Staaten auszusetzen – es sei denn, die Trump-Administration führt bis zum 1. September neue Datenschutzgarantien ein.
Die LIBE-Entschließung ist zwar nicht rechtsverbindlich, erhöht aber den Druck auf die Kommission, gegenüber den USA in Sachen Datenschutz Nägel mit Köpfen zu machen. Eine knappe Mehrheit der Europaabgeordneten stimmte am Montagabend dafür, der Kommission weniger als drei Monate Zeit zu geben, um ein robusteres Abkommen mit Washington zu erreichen.
Die EU-Exekutive wird im Herbst eine Expertengruppe in die amerikanische Hauptstadt entsenden, um eine rechtliche Überprüfung des Privacy Shield-Deals vorzunehmen.
Die Europaabgeordneten und die Datenschutzbeauftragten der EU haben bereits betont, dass die Kommission Trump auffordern muss, einen ständigen Ombudsmann zu benennen, der für die Beantwortung von Beschwerden der EU-Bürger über den Umgang mit ihren personenbezogenen Daten im Rahmen des 2016 geschlossenen Abkommens zuständig ist. Die US-Regierung hat bisher lediglich einen Interimsbeamten in dieser Position abgestellt.
Zusätzlich zu den Streitigkeiten um den Datenschutz versucht die Kommission derzeit, mit dem US-Justizministerium eine gesonderte Vereinbarung auszuhandeln, die europäischen und amerikanischen Staatsanwälten und Sicherheitsbehörden einen schnellen Zugriff auf Daten von digitalen Dienstanbietern wie E-Mail-Hosts und Kommunikations-Apps ermöglicht – unabhängig davon, ob die Daten in den USA oder in einem EU-Land gespeichert sind.
Privacy Shield nicht konform mit der DSGVO
Die Europaabgeordneten argumentieren, die Kommission müsse das Privacy Shield-Abkommen einstellen, da die USA die Anforderungen der am 25. Mai in Kraft getretenen strengen neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht erfüllt haben. Das Gesetz sieht vor, dass spezielle Datenaustauschvereinbarungen mit Ländern außerhalb der EU nur dann bestehen bleiben können, wenn diese Länder über unabhängige Behörden verfügen, die den Umgang mit den Daten der Europäer nach dem Transfer ins Ausland überwachen.
Claude Moraes, der britische sozialdemokratische Europaabgeordnete, der den Bericht des Ausschusses verfasst hat, unterstrich: „Der Privacy Shield bietet in seiner derzeitigen Form nicht das angemessene Schutzniveau, das durch die DSGVO und die EU-Charta gefordert wird.“
Er fügte hinzu: „Es ist Sache der US-Behörden, die Bestimmungen des Abkommens effektiv einzuhalten. Die Kommission muss darüber hinaus Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass das Abkommen [Privacy Shield] vollständig mit der DSGVO übereinstimmt.“
Knappe Abstimmung und Kritik von den Konservativen
Es war eine knappe Abstimmung am Montagabend, bei der 29 Abgeordnete der LIBE-Entschließung zustimmten, 25 dagegen votierten und drei sich der Stimme enthielten. Die Abgeordneten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion des Parlaments, lehnten die Entschließung ab. Sie wollen nicht, dass die Kommission die Vereinbarung über den Datenschutz aussetzt.
Axel Voss, ein deutscher EVP-Abgeordneter, sagte in einer Erklärung am Dienstagmorgen: „Mit einem solchen Text untergraben die Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen die wesentliche Grundlage für das Funktionieren eines Instruments, das Tausenden von europäischen Unternehmen zugutekommt und die Daten der europäischen Bürger schützt. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Würde die Aufhebung des Privacy Shield wirklich irgendwem nützen?“
Justizkommissarin Jourová will sich kümmern
Rechtsexperten der Kommission hatten sich im vergangenen Oktober mit US-Beamten zu einer ersten Überprüfung des Abkommens getroffen. Die EU-Exekutive hat versprochen, jedes Jahr eine ähnliche Bewertung gemeinsam mit den zuständigen amerikanischen Amtskollegen vorzunehmen.
EU-Justizkommissarin Vera Jourová sagte nach dem Treffen im Oktober, es gebe genügend Datenschutzvorkehrungen, damit die Privacy-Shield-Vereinbarung in Kraft bleiben kann. Aber sie listete auch eine Reihe von Bedenken auf und erklärte, sie würde es vorziehen, wenn die Trump-Administration verbindliche Rechtsvorschriften schaffen würde, die Einschränkungen für staatliche Überwachungsprogramme festlegen.
Kommissionssprecher Christian Wigand sagte am Dienstag als Reaktion auf die Abstimmung im Parlament: „Die Kommission arbeitet mit der US-Regierung zusammen und erwartet, dass sie die Bedenken der EU aufgreift.“
Wigand weiter: „Kommissarin Jourová hat auch Briefe an US-Außenminister Pompeo, Handelsminister Ross und Justizminister Sessions gesendet, in denen sie sie auffordert, so bald wie möglich die notwendigen Verbesserungen, auch in Bezug auf den Datenschutz-Ombudsmann, vorzunehmen.“
Das Privacy Shield-Abkommen steht seit seiner Verabschiedung im Jahr 2016 im Mittelpunkt diverser Streitigkeiten. Sein Vorgänger, das Safe Harbour-Abkommen, war im Jahr zuvor durch eine bahnbrechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gekippt worden. Auch gegen Privacy Shield haben Datenschutzkampagnengruppen bereits Klagen beim obersten EU-Gericht eingereicht.